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Die Wirkung war sehr groß. Dass
es ein sehr echtes und gesundes — ein
sehr selbständiges Talent bedingt, um sich
von aller Schwülstigkeit, allen orchestralen
Missbräuchen fernzuhalten, bedarf keiner
eingehenderen Erwähnung. Wir dürfen
daher mit Recht auf die weiteren Werke
des jungen Componisten Erwartungen
setzen. A. K.
In der Berliner Section der weitverzweigten
»Internationalen Musikgesellschaft«, deren ver-
dienstliches Wirken europäischen Ruf erlangt
hat und keiner neuerlichen Anerkennung be-
darf, sprach kürzlich der Musikgelehrte Her-
mann Abert über MUSIKÄSTHETIK des
Alterthums. Mit dem Worte »Musik« verbanden
die Griechen der classischen Zeit bekanntlich
einen weiteren Begriff, als wir, die wir dem
heutigen Sprachgebrauch folgen; alles in der
Bewegung schön Geordnete galt ihnen als
»Musik« — im Gegensatze zu den übrigen
Künsten, deren Object die bewegungslose
Materie ist. Nach Aristoteles ist insbe-
sondere die hörbare Bewegung in der in-
timsten und mannigfaltigsten Wechselbezie-
hung zu den Bewegungen der menschlichen
Seele. Beide Bewegungsarten werden von
den nämlichen Gesetzen beherrscht. Daraus
ergibt sich die Kernlehre der antiken Musik-
ästhetik, nämlich die Theorie von den ethi-
schen Kräften der Musik, die sich (was
Redner durchführte) an der aristotelischen Ein-
theilung der Octaven-Gattungen in ethische,
praktische und enthusiastische erläutern lassen.
Hauptverfechter dieser Lehre waren die Pythago-
räer, Plato und Aristoteles. Nebenher ent-
wickelte sich aber schon im Alterthum eine
ästhetisch-formalistische Theorie, die in der
Musik nur ein Spiel tönend bewegter Formen
erkennen wollte; erhalten ist diese Anschauung
in den Schriften des Philodemos aus Gadara
II. Jahrhundert vor Chr.) und des Sextus Em-
piricus (II. Jahrhundert nach Chr.). Urheber
der Lehre dürften — was Redner nachzuweisen
suchte — die Sophisten gewesen sein, denen
sich in der Folgezeit nebst den Epikuräern
auch die Skeptiker anschlössen. Seit der Ent-
wicklung des Christenthums gerieth jene
nationalistische Theorie in Vergessenheit. Die
musikalisch-ethische Anschauung behielt die
Oberhand und wurde in stark vergröberter
Form vom Mittelalter übernommen.
An den Vortrag schloss sich eine Discussion
der Professoren Fleischer, Wolff, Thouret etc.
Eine große BACH-Feier, die erste in
Deutschland, wird Mitte März von der »Neuen
Bach-Gesellschaft« zu Berlin veranstaltet und
an drei Tagen abgehalten werden, wobei
weniger gehörte und minder populäre Werke
des Meisters zur Aufführung gelangen sollen.
An der Spitze des Unternehmens, das von den
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höchsten Kreisen Berlins propagiert wird,
stehen die Professoren Kretzschmar, Joachim
und Hofrath v. Hase. An das Fest schließt
sich eine Bach-Ausstellung (Instrumente, Bilder,
Autographien, Werke und sonstige Reliquien
der Familie Bach).
Ein bisher fast unbekanntes Werk
MOZARTS (Concert für drei Claviere) — kürz-
lich durch Zufall aufgefunden — wurde soeben
in Karlsruhe zum erstenmale zu Gehör gebracht.
Das Werk (der Gräfin Lodron-Arco gewidmet)
stammt aus dem Jahre 1776. (Näheres hierüber
ist aus Köchels Katalog Nr. 242 zu ersehen.)
In Paris hat sich unter Mitwirkung
Th. de Wyzéwas ein MOZART-VEREIN ge-
bildet, der die Wagner-Enthusiasten Frankreichs
durch regelmäßige Concerte und Vorlesungen
auch mit Mozart bekannt machen will.
In einer Studie über NIETZSCHES Reli-
gion (»Revue des Deux Mondes«, 1901, Nr. 2)
versucht Alfred Fouillée den Nachweis, dass
die meisten Nietzsche-Commentatoren jenen
französischen Denker, dem Nietzsche die tief-
gehendsten Anregungen zu verdanken hatte,
stillschweigend übergangen haben. Bedauerlich
sei es, dass nicht offen dargelegt worden, was
Friedrich Nietzsche diesem französischen Ge-
lehrten schulde. Nämlich: Als Nietzsche in
Nizza und Mentone war, weilte ebendaselbst
ein junger Philosoph, ein Dichter und Denker,
körperlich leidend (gleich Nietzsche) und zu
einem Leben voller Qualen ausersehen, aber
mit ungewöhnlich heftigen und ursprünglichen
Geisteskräften begabt. Er starb früher als
Nietzsche. Der gleiche Fundamentalgedanke,
die gleiche Vorurteilslosigkeit in ethisch-
ideeller Hinsicht beseelte diese beiden Männer,
deren Leben gleich intensiv, gleich expansiv
war. Der Franzose, von dem hier die Rede ist,
war Goyau. Seine Werke sind Band um Band
und früher als Nietzsches Schriften erschienen;
die hauptsächlichsten Fragen aus dem Gebiete
der Metaphysik, der Ästhetik und Ethik fanden
da ihre Lösung, bevor Nietzsche mit ähnlichen
Resultaten an die Öffentlichkeit getreten. Nietz-
sche hat Goyaus Werke mit großer Aufmerksam-
keit gelesen und unter anderem sein Exemplar
der Goyau’schen Abhandlung »Esquisse d’une
morale sans obligation ni sanction«, mit
Marginal-Noten versehen, auch viele Seiten
des Bandes angezeichnet und unterstrichen.
Zwischen Nietzsches und Goyaus Ideen besteht
offenbare Verwandtschaft, die sich ohneweiters
darthun lässt. Hier müsste die Forschung ein-
greifen und das Specielle beleuchten.
Soeben hat STRINDBERG wiederum ein
modernes Drama vollendet, das sich in drei
Aufzüge (Gründonnerstag, Charfreitag, Oster-
abend) gliedert und den Titel »Ostern«
führt. Im April dieses Jahres wird es auf
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