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der Bühne des königlichen »Dramatischen
Theaters« zu Stockholm (und, wie Emil Schering
meldet, auch in einigen deutschen Theatern)
zur Darstellung gelangen. Auf der nämlichen
Bühne fand vor einiger Zeit die Première des
»Damaskus«-Dramas (»Nach Damaskus«,
Theil I) statt, dessen Mise-en-Scène in techni-
scher Beziehung Neues und Interessantes bot.
Diese Aufführung hat nämlich die Construierung
einer besonderen Coulissenmechanik noth-
wendig gemacht, einer Strindberg-Bühne
Nr. II, wie man sie wohl nennen darf, wenn
man das intime Theater, das der Dichter in
seiner Vorrede zu »Comtesse Julie« fordert,
als Strindberg-Bühne Nr. I bezeichnet. Das ab-
sonderliche Gewissensdrama, dessen Vorgänge
— an Maeterlincks Art erinnernd — ins
Menschliche-Innere verlegt sind und durch
phantastisch-flüchtige Gesichte (wie vordem
schon in »Schlüssel des Himmelreichs oder
Sanct Peter wandert auf Erden«*) veran-
schaulicht werden, ließ sich nicht in den land-
läufig-modernen Inscenierungsapparat zwängen,
da es die greifbaren Realitäten des Lebens nur
obenhin streift und von vorneherein nicht auf
realistische Wirkungen ausgeht. Zudem ver-
langte die ständig wechselnde Scenerie, die
zwischen Traum und Wirklichkeit hallucinato-
risch hin- und herschwebt, willfährigere Vor-
richtungen und einen harmonisch umgrenzenden
Rahmen, der die Bühnenvorgänge den Zu-
schauern perspectivisch zu entrücken und mög-
lichst bildhaft-unwirklich zu gestalten
hatte. Man war also bemüht, durch sinnreiche
Constructionen auch in bühnentechnischer Hin-
sicht dem besonderen Charakter der Dichtung
Rechnung zu tragen, die Handhabung des
maschinellen Apparates zu vereinfachen und
die gesammte Regie durch bildnerische Stili-
sierungen auf ein künstlerisches Niveau zu
heben. Ähnliches haben vor wenigen Jahren
die Reconstructeure der Shakespeare-
Bühne in Deutschland angestrebt. Analoge
Principien machen sich jetzt bekanntlich in
den Darmstädter Künstlerkreisen geltend,
denen die Theaterregie lediglich eine dem
Bühnengemäßen angepasste und entsprechend
stilisierte Bildnerkunst scheint.** Verwandte
ästhetische Grundsätze werden für die Schöpfung
einer rein decorativen Maeterlinck-Bühne
maßgebend sein, die im Herbst des vergangenen
Jahres — nur eben mit allzu ärmlichen Mitteln
und ohne die Assistenz eines einheitlich ge-
bildeten Geschmacks — von jungen Berlinern
versucht wurde.***
Der düsteren und sprunghaften, sozusagen:
kaleidoskopischen Phantastik des Strindberg-
schen Gewissensspiels suchte man nun auf der
königlichen Bühne Stockholms technisch in
der Weise gerecht zu werden, dass man nächst
dem vordersten Coulissenpaar ein »inneres
Proscenium« in Gestalt einer halbzerfallenen,
triumphbogenförmigen, antiken Mauer an-
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brachte, die den Bühnenvorgängen eine passe-
partoutartige Umrahmung und durch diese
Umrahmung einen visionären, malerischen
Charakter gab. Über der Mauer sah man ein
Sternbild aus einem nächtlichen Himmel
magisch hervorleuchten. Hinter dem Mauer-
bogen führten drei Stufen zu der eigentlichen
Bühne, auf der sich die bunten Ereignisse
abspielten. An Requisiten ließ man nur das
Allernothwendigste zu. Die losen Gegenstände,
die sonst die Bühne füllen und den Maschinisten
hindern, wurden auf ein Minimum eingeschränkt,
größtentheils aber auf den Fond und auf die
perspectivischen Coulissen gemalt. Dadurch
war ein augenblicklicher Decorationswechsel
bei offenem Vorhang (ohne »Drehbühne«)
ermöglicht. Solcherart musste es gelingen,
eine Reihe der stimmungsvollsten scenischen
Gemälde in exactestem Wandel vorübergleiten
zu lassen und die Abstractionen dieses subtilen
Dramas (das lediglich die Abrechnung eines
Individuums mit sich selbst und mit seiner
Vergangenheit, die Bilanzierung seines Lebens,
die Revidierung seines seelischen Gewinn- und
Verlustcontos schildert) zu einer concreten,
stilgemäßen Phantastik zu steigern.
ANT. L—r.
Goethes Sensitivität. Hierüber
schreibt uns Prof. Max Seiling (Pasing
bei München): Einen triftigen Beweis für
Goethes große Sensitivität liefert Ecker-
manns Bericht (November 1823) über die Art
und Weise, wie Goethe in seinem Bett zu
Weimar das Erdbeben von Messina richtig
wahrgenommen hat. — Über andere seiner
Erlebnisse hat Goethe mit Eckermann (October
1827) gesprochen. Nachdem dieser einen merk-
würdigen Wahrtraum erzählt, erwiderte Goethe:
»Dergleichen liegt sehr wohl in der Natur,
wenn wir auch dazu noch nicht den rechten
Schlüssel haben. Wir wandeln alle in Geheim-
nissen. Wir sind von einer Atmosphäre
umgeben, von der wir noch gar nicht wissen,
was sich alles in ihr regt und wie es mit
unserem Geiste in Verbindung steht. Soviel
ist wohl gewiss, dass in besonderen Zuständen
die Fühlfäden unseres Innern über die körper-
lichen Grenzen hinausreichen können und ihr
ein Vorgefühl, ja auch ein wirklicher Blick in
die nächste Zukunft gestattet ist.« Darauf
erwähnt Eckermann einen Fall von zeitlichem
Fernsehen im wachen Zustande und Goethe
fährt fort: »Das ist gleichfalls sehr merkwürdig
und mehr als Zufall. Wie gesagt, wir tappen
alle in Geheimnissen und Wundern. Auch
kann eine Seele auf die andere durch bloße
stille Gegenwart entschieden einwirken, wovon
ich mehrere Beispiele erzählen könnte. So habe
ich einen Mann gekannt, der, ohne ein Wort
zu sagen, durch bloße Geistesgewalt eine in
heiteren Gesprächen begriffene Gesellschaft
plötzlich still zu machen imstande war. Ja er
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