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Jene Zeichnungen waren völlig im
Sinn eines Holzschnittes gemacht. An-
fangs hielt ich sie dafür. Seine Holz-
schnitte sehen nicht anders aus. Zum
Beispiel das wundervolle große Blatt
im »Germinal«, der großen graphischen
Publication Meier-Graefes.
Es gibt heute Viele, die Holzschnitte
machen. Sie alle kleben an der Dar-
stellung der Erscheinung. Der Holz-
schnitt ist einer geschickten Hand
dankbar. Es ist leicht, ein angenehmes
Blatt zu machen. Dazu braucht’s nichts,
als ein bisschen Zeichnenkönnen und
die Fähigkeit, einen Raum auszufüllen.
Beides an den Akademien gegen ein
bisschen Schulgeld zu lernen. Das
Technische hat niemand rascher los,
als gerade Die, die nie darüber hinaus-
kommen. — Gibt es z. B. etwas Ge-
schickteres, als die Holzschnitte von
Nicholson? Die deutschen Kunstjuristen,
Museen, Kritiker und Liebhaber fielen
mit Eclat auf ihn herein. Oder Eck-
manns decorative Holzschnitte. Sie
haben den wunderbaren Reiz, den das
gut verwendete Material der unbedeu-
tendsten Sache verleiht, Delicatessen
im Stoff, die dieser mitbringt und die
man kennen und verwenden lernen
kann. Im übrigen könnten sie genau
so gut in Lithographie existieren; man
wird bei ihnen nirgends fühlen: das
muss und kann nur in Holz existieren.
Dies ist auch bei sehr vielen der japa-
nischen Holzschnitte der Fall, die bei
uns in lächerlichster Weise überschätzt
werden. (Ich rede nicht von den großen
Künstlern.) Es sind Pinselzeichnungen
auf Holz, die mit großer Geschicklich-
keit den Charakter des Pinselstriches
im Schnitt festhalten, und der Effect
— ist eine gedruckte Pinselzeichnung,
aber kein Holzschnitt.
Die Holzschnitte in der Publication
des William Morris, zumeist von Burne-
Jones entworfen, sind Federzeichnungen
und ebensowenig Holzschnitte. Kein
Hauch von Kraft, Tiefe, Farbe, deren der
Holzschnitt fähig ist. Reine Strichholz-
schnitte »sind auch die nach Zeichnungen
von Karel Doudelet in einigen der hüb-
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schen, von ihm illustrierten Bände. Naive
Menschen nennen ihn und Minne in
einem Athem. Nichts ist falscher. Dou-
delet hat einige schöne Zeichnungen
gemacht. Sie haben einen Hauch von
Einfachheit, Stille und Versenkung,
aber holzschnittmäßig sind sie nirgends
völlig. Am ehesten noch da, wo sie
sich mittelalterlichen Schnitten nähern.
Er ist archaistisch. Er reflectiert. Seine
Zeichnungen kann man sich anders
gezeichnet denken. Damit fällt ihre
Form, als Manier. Ich kenne keine
Original-Holzschnitte von ihm. Möglich,
dass ihn in solchen, wenn sie existieren,
der Zwang des Materials heilsam
beeinflusst hat.
Jedoch stellen seine Arbeiten über
denen eines Anderen, dessen Holz-
schnitte neuerdings in Deutschland
sich eines gewissen Rufes erfreuen,
wenigstens bei den Amateuren. Dies
ist Peter Behrens. Seine Holzschnitte
haben einen sympathischen Zug: sie
sind groß. Rein ellenmäßig groß. Wer
es wagt, Holzschnitte von diesen Dimen-
sionen zu schneiden, dem ist es Ernst.
Ein anderes ist die Art und die Rasse
dieser Blätter. Hierin sind sie völlig
verfehlt. Sie zeigen einen meist aus
mehreren Farbenplatten vornehm zu-
sammengestimmten Accord. Aber man
fragt sich umsonst: Warum die riesige
Arbeit, diese Dinge in Holzschnitt zu
machen? Die Delicatessen der Farbe und
Druck-Erscheinung rechtfertigen dies
nicht. Es sind in Holzschnitt ausge-
führte Lithographien. Nirgendwo ist
ein Zug, ein Strich, ein Schnitt zu
finden, der das Gesicht zeigte, das ihm
das Messer im Holz gibt. Alles ersäuft
in einer geleckten, geradezu dumm
wirkenden, drahtartig gleichmäßigen
Contour, in einem kraftlosen Linien-
gewurstel, in das die Idee des Blattes
hineingepresst ist. Ich habe selten etwas
Langweiligeres, Unholzschnittmäßiges
gesehen, als z.B. sein Blatt: »Der Kuss«,
das, wenn ich nicht irre, der senil ge-
wordene »Pan« publiciert hat, kurz vor
seinem Tode. Diese Blätter können auch
in keiner Weise — wenn sie selbst
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