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auch verfehlt wären — befruchtend auf
andere wirken. Sie sind qualvolle,
mühsame Reflexionsproducte; auf dem
Wege durch die Überlegung ist dem
darzustellenden Erlebnis das letzte
bisschen Blut ausgepresst worden.
Diese Holzschnitte sind wertlos.
Ein anderer ist Lucien Pissarro! Er
ist ein Holzschneider! Seine entzücken-
den kleinen Blätter athmen den Geruch
von Holz aus! Die kleinen Platten, die
er für Bücher geschnitten hat, sind
Wunderwerke, unübertrefflich. Seine
Bäume, Menschen, Kleider, Gräser,
Wolken sind wahrhafte Holzschnitt-
wesen. Pissarro hat sie aus Holz ge-
macht, wie Gott den Menschen aus
Erde. Sie haben einen undefinierbaren
Glauben und eine große Liebe zum
Holz, seiner Kraft, Treue und Ein-
fachheit.
Er ist durchaus modern. Er kennt
das Licht. Er verwendet Flächen. Auch
seine Contour ist Fläche, ist gefühlt
und bewegt, im Gegensatze zu der
gewellten und vorgefassten, stilisieren-
den, alles tödtenden Contour des Peter
Behrens. Pissarros Contour lebt! — Er
hat Massen, wundervoll belebte Massen
in seinen kleinsten Holzschnitten. Ich
habe nie und nirgends Bäume so
wundervoll dargestellt gesehen, wie bei
ihm. Ebenso seine Menschen, seine
Kleider, seine Rasen, Bäche, Häuschen!
Seine Bewegungen haben eine wunder-
bare Einfalt, eine kindlich naive Größe,
sind voll rührender Ruhe und Einfach-
heit. Er hat etwas von der tiefen
Naivetät der Bewegungen der Rem-
brandt’schen Engel und Menschen. —
Wie ich schon sagte: Seine Holz-
schnitte athmen den Geruch von Holz
aus. Sie sind in keinem anderen Material
zu denken. Dazu seine Farbe! Auch
sie ist holzschnittgemäß, d. h. einfach,
stark, klar und bewegt sich meist in
zwei complementären Tönen, z. B.
einem warmen Roth und einem kalten
Grün. Sie besitzen, ebenso wie seine
Form, eine wundervolle Einfachheit
und wirken organisch mit Zeichnung
und dem Schwarz-Weiß zusammen.
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Sie sind nur eine Bereicherung des
Schwarz-Weiß. Seine milchfarbigen
Blätter sind von vollkommener Schön-
heit. Ihre Farbigkeit liegt in
der wahrhaft holzschnittgemäßen
Verwendung und gegenseitigen
Durchdringung des Schwarz
und des Weiß. Seine Holzschnitte
wirken nicht farbig, sondern coloriert.
Sie bilden auch in dieser Hinsicht
das gerade Gegentheil der Behrens-
schen.
Da ich gerade von Buch-Holz-
schnitten sprach, will ich noch die ent-
zückenden kleinen Vignetten, culs-de-
lampe, Titel und Verzierungen nennen,
die der innige, süße Dichter Max
Elskamp zu seinen Büchern »Six
chansons de pauvre homme« und »En-
luminures« gemacht hat. Wahrhaftige
Holzschnitte!
Ich kenne noch Einen. Wenige
kennen und lieben ihn, gleich mir. Ein
Norddeutscher, in Hamburg zu Hause:
Wilhelm Laage. Die »Zeitschrift
für graphische Künste« hat einmal
den Versuch gemacht, ihn und seine
Arbeit einem größeren Publicum vor-
zustellen.
Er ist der Würdigste, nach Pissarro
genannt zu werden. Er zeigt Verwandt-
schaft mit ihm, innerlich und in seinen
Formen. Alles, was ich eben von
Pissarro sagte, trifft auch auf ihn zu.
Aber Laage ist umfassender. Er hat in
Büchern keinen Platz, wie jener. Sein
Element ist die Landschaft, vorläufig
wenigstens. Seine Landschaft da oben
an der Nordsee, am Watt und in der
Haide, die er über alles liebt und die
seine Erlebnisse und deren Darstellung
zum größten Theile ausmachen.
Wir waren ganz allein mit unseren
ersten Holzschnitt-Versuchen in Karls-
ruhe, die wir mühsam und ohne jede
Hilfe machten. Gemeinsam haben wir
die ersten »Leiden und Freuden des
jungen Holzschneiders« erlebt, um in
der Anwendung des Gelernten alsbald,
jeder seiner Natur gemäß, ganz ver-
schieden zu arbeiten.
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