|
Stephan Mallarmé fühlte sich von
einer ewigen Frage gehemmt und be-
einträchtigt: von dem Streben nach
der Vollendung der Form oder, richtiger
gesagt, von der Suche nach einer origi-
nellen Form. »Mein poetisches Können
weint, weil es täglich von dieser lingu-
istischen Arbeit unterbrochen wird,«
sagte er irgendwo traurig, und that-
sächlich bewegt er sich sein ganzes
Lebenlang in diesem Scrupel; ein
Gefangener seines eigenen Ich, versagt
er sich mit logischer Festigkeit das
Recht, Werke aufzubauen, die er nicht
vorher auf einer neuen Ästhetik und
Technik begründet. Er kämpfte gegen
seine Productionslust an; während er
in der Unterhaltung unermüdlich neue
Bilder schuf, verurtheilte er sich zur
Ohnmacht und beraubte sich der Freude,
seine Gedanken auszusprechen, bis er
das vollendete Arrangement seiner Aus-
drucksmittel gefunden hatte. Man be-
greift, welche raffinierten Qualen ein
solcher Entschluss erzeugt. Man hat
von der »Vollkommenheitskrankheit«
gesprochen, an der Flaubert litt. Doch
Flaubert konnte sich wenigstens soweit
mit sich zufriedengeben, um Werke
zu veröffentlichen, in denen er das
Resultat seiner Arbeit aufwies. Mallarmé
ward dieser Freude nicht zutheil.
Er machte sich von der Kunst eine
so mystische und absolute Vorstellung,
dass er sich nicht entschließen konnte,
ein Zeugnis zu veröffentlichen, mit dem
er sich wirklich zufrieden erklärte.
Man kann sich nicht denken, welch
glühende religiöse und fast furchtsame
Verehrung Mallarmé für die literarische
Kunst hegte; diese Verehrung verlieh
seiner Persönlichkeit etwas Erhabenes,
denn man fühlte den hohen, opfer-
freudigen Geist und die absolute Hin-
gebung für die Geheimnisse der Poesie.
»Wie oft,« sagte er eines Tages zu
|
mir, »habe ich mich entschlossen, die
Bücher zu schreiben, die ich in meinem
Kopfe mit mir herumtrug: ich wollte
mich mit einer gewöhnlichen, gemein-
hin beredten und ausdrucksvollen franzö-
sischen Form mit üblichen Rhythmen
und landläufiger Syntax begnügen, und
schwor mir selbst zu, das Joch abzu-
schütteln; wenn ich dann aber anfangen
wollte, dann fühlte ich, ich konnte es
nicht; ich fühlte, man habe nicht das
Recht, so mit der Schriftsprache Miss-
brauch zu treiben — und von neuem
studierte ich, was sie eigentlich verlangt«.
Mallarmés Hauptgedanke gieng hin-
sichtlich der Stilformen dahin, dass die
geschriebene Sprache von der ge-
sprochenen Sprache absolut verschieden
ist und dass man sie unpassenderweise
seit Jahrhunderten miteinander vermengt
hat. Unter »gesprochener Sprache«
verstand er auch die geschriebenen
Phrasen, die kein abstractes Ziel haben,
sondern zum Austausch der socialen
Beziehungen dienen. Das alles nannte
er »Conversation«. Er bestritt, dass
dieselbe Sprache ohne Unterschied von
dem Advocaten, dem Arzt, dem Kauf-
mann oder dem Dichter angewendet
werden durfte. Der Irrthum kam, wie
er meinte, daher, dass alle Künste ihre
Technik oder ihre besonderen In-
strumente, Pinsel, Meißel oder Musik-
noten besitzen, während die Literatur
keine zu besitzen scheint und bei der
landläufigen Sprache Anleihen macht.
Doch gerade das ist nichts weiter, als
eine gefährliche Täuschung, die ein
bedauerliches Missverständnis erzeugt.
Die profanen Gemüther, die vor dem
Pinsel, dem Meißel oder den Musik-
zeichen, deren inneres Wesen sie nicht
kennen, Achtung haben, glauben sich
vollauf geeignet, ohneweiters und
ohne geeignete Studien ein Buch
zu beurtheilen, nur weil es aus den
|