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Worten zusammengesetzt ist, deren sie
sich bedienen. Der Anschein spricht
für diese Behauptung; in Wirklichkeit
aber ist ein Buch dieses Namens erst
dann würdig, wenn der Autor es ver-
standen hat, dieser landläufigen Sprache
persönliche Instrumente, das heißt,
einen Stil zu entlocken. Da die Worte
dieselben bleiben, so bildet sich der
Stil durch ihre Anordnung. Die Anord-
nung der Worte aber ist die Syntax.
Diese festgeregelte Wissenschaft ist bis
ins Unendliche veränderlich, wie ja auch
die Combinationen des Alphabets und
der Ziffern unbegrenzt sind. Es gibt
zwei Methoden, sich einen originellen
Stil zu schaffen: durch die Wahl der
Beiwörter und durch die Mannigfaltig-
keit der Combinationen und der Satz-
abschnitte oder Cäsuren. Die Wahl
der Beiwörter verleiht einem Stil die
sogenannte Farbe; das ist der einfachste
Grad der Originalität. Man kann in
der Auswahl der Eigenart und dem
den Worten innewohnenden Zauber
sehr weit gehen, ohne deshalb ein
großer Schriftsteller zu sein. Die Mannig-
faltigkeit der Cäsuren verleiht den
Rhythmus, das heißt das lebendige
Element des Stils. — Das ist der
zweite Grad der Originalität. Wer diesen
beweist, muss notwendigerweise ein
Schriftsteller von Rasse sein. Was
die aus der Syntax selbst, das heißt aus
der Construction und den Beziehungen
der verschiedenen grammatikalischen
Elemente untereinander hervorgehende
Originalität betrifft, so ist sie die
schwierigste und subtilste. Das erreichen
nur sehr Wenige. Die Goncourts oder
Pierre Loti können das Beispiel der
Farbe bieten, Paul Adam das des
gebrochenen und veränderlichen Rhyth-
mus, Flaubert, der zwei bis drei Attri-
butstellungen erfunden hat, und Renan,
der das Geheimnis besaß, den Zwischen-
satz in stets neuer Weise in seine Sätze
einzuschieben, sind Typen großer Pro-
saisten, die unvergängliche Monumente
in der französischen Sprache zurück-
gelassen haben. Wer diese Dinge als
Nebensächlichkeiten behandeln wollte,
der würde sich sehr täuschen; ebenso
wie »Salammbô« und die »Prière sur
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l’Acropole«, werden die beiden gram-
matikalischen, auf das Attribut und den
Zwischensatz bezüglichen Entdeckungen
den Ruhm Flauberts und Renans festigen
und sie zu Classikern erheben. Mal-
larmés Bemühen hinsichtlich des Stils
gieng also dahin, in der Eigenart des
Beiwortes weniger originell zu sein,
als in der Mannigfaltigkeit der Cäsuren,
und vor allem in der gegenseitigen
Anordnung des Verbums, des Subjects
und der Objecte. Von diesem Gesichts-
punkte aus umfasste das Programm
der Forschungen eine gedrängte Studie
der Interpunction.
Endlich ist dem Spürsinn des Sti-
listen und Linguisten, sowohl in der
Prosa, wie im Vers, ein ganzes Gebiet
geöffnet; das ist die »Musikalität«, eine
Combination des Rhythmus oder Bewe-
gung der Beiwörter, das heißt, die Stelle
der Worte wird vor allem durch die Noth-
wendigkeit einer Harmonie zwischen den
ihnen eigenen Wohlklängen dadurch
geregelt, dass man den Zusammenstoß
oder die Fusion dieser Wohlklänge dem
allgemeinen Rhythmus des Satzes und
infolgedessen dem Ausdruck des an-
muthigen, schmachtenden, düsteren oder
hastigen Gefühles, das er zur Darstel-
lung bringt, dienstbar macht. Wenn
die lyrische Poesie ein Gesang ist, so
ist die Prosa ebenfalls einer, denn die
Worte zählen ebenfalls durch ihren
Ton und ihre Bedeutung; sie sind nach
allem, was wir über den Ursprung der
Sprache wissen, eng miteinander ver-
bunden und wirken simultan auf den
Geist und die Sinne des Zuhörers.
(Der Leser kann als Zuhörer betrachtet
werden, denn er hört sozusagen beim
Lesen ganz leise und spricht sich, was
er liest, leise vor.) Im gewöhnlichen
Leben legen die Leute dem Sinne der
Worte größere Bedeutung bei als ihrer
»Tonalität«. Die erste Bedingung einer
literarischen, vom landläufigen Sprechen
verschiedenen Sprache bestände also
darin, zunächst auf den Ton der Worte,
dann auf die Eurhythmie und dann
auf die Syntax großen Wert zu legen.
Die persönliche Note eines Schriftstellers
von großem Stil richtet sich nach seinem
Können in dieser Richtung.
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