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Diese besondere Sprache, die dem
gewöhnlichen Gebrauch durch die
Eigenart der Ausdrücke, die Viel-
fältigkeit der Cäsuren, die Tonalität
der Vocabeln und den besonderen Ge-
brauch der Syntax entzogen war,
wollte Mallarmé nicht allein auf die
Symbole an sich angewendet wissen,
nein, er hielt sie auch für geeignet,
eine Anspielung auf die Symbole
wiederzugeben und auszudrücken. Diese
Technik der Anspielung, der Fiction,
der Allegorie, erschien Mallarmé als
das einzig Logische. In seinen Augen
konnte alles nur allegorisch sein und
eine Wahrheit vertreten. Nach dem
Beispiele Edgar Poes schloss er die
Erzählung, die Beschreibung und die
Eloquenz aus der sogenannten lite-
rarischen Kunst und der poetischen
Essenz aus. Eine legendäre Kunst, die
erdichtete Figuren, ideologische Wesen-
heiten in Scene setzte, war die noth-
wendige Folge seines Systems. In
dieser Überzeugung wurde er von einer
persönlichen Fähigkeit, die er in einem
unglaublichen Grade besaß, unterstützt,
der Fähigkeit der Analogie. Der Sinn
für Analogien war in Mallarmé so stark
entwickelt, dass er Jeden verblüffte, der
mit ihm sprach. Mit unfehlbarem Auge
nahm er zwischen den verschieden-
artigsten Gegenständen oder Hand-
lungen den Berührungs- oder Ver-
gleichspunktwahr. Er fasste die unend-
liche Fülle des Weltalls so ursprüng-
lich und mit solcher Kraft auf, dass
sich seinem Geiste nichts vereinzelt
darstellte, sondern alles zu einem
System zusammenhängender und soli-
darischer Zeichen wurde. Ohne An-
strengung bediente er sich deshalb der
Analogie als Bilderquelle in der Lite-
ratur und hat köstliche und wunder-
bare analogische Beispiele hinterlassen.
In der Anwendung der Allegorie näherte
sich Mallarmé ganz auffallend der Auf-
fassung Wagners. Der merkwürdige
Aufsatz: »Richard Wagner, rêverie d’un
poète français« bestimmt ganz genau
den Berührungsgrad zwischen dem
musikalischen Poeten und dem lite-
rarischen Symphoniker und weist gleich-
zeitig ihre Unähnlichkeit nach. Denn
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Mallarmé gieng, während er die musika-
lische Entwicklung des Stils vorher-
sagte, der Verwechslung der Poesie
mit der Musik, die Taine prophezeit
hatte, aus dem Wege, und wollte diese
beiden Gebiete, von denen das eine
der Phantasie, das andere dem Sinnen-
leben angehört, vollständig getrennt
erhalten wissen. Das aber veranlasst
uns, von seinen Ideen über den Vers
zu sprechen.
Mallarmé fasste den Vers als ver-
mittelndes Gedankenglied zwischen der
gesprochenen Sprache und der Musik
auf und betrachtete diesen Ausdruck
als Grundlage des synthetischen Kunst-
werkes. Das heißt, in seinem Sinne
gab es nur zwei giltige Kunstwerke,
das Buch und das Theater. Das eine
war für die große Masse bestimmt,
während das andere die Empfindungen
der Masse resümierte und sie auf das
Individuum zurückführte. Der Vers war
in seinen Augen der diesen beiden Auf-
fassungsarten gemeinsame Ausdruck.
Der Vers war ein verkürztes Or-
chester, »une musique de chambre«,
wie er sagte. Er war also das Haupt-
element eines Werkes.
In dem Werke, wie Mallarmé es er-
träumte, war die Verschmelzung des
Wortes, der Geste, der Decoration, des
Ballets, sowie des musikalischen Aus-
drucks unerlässlich. Der Vers war der
rednerische Modus des denkenden In-
dividuums, des »Sujets«, des Menschen;
die Gedanken des Dramas wurden
durch seinen Mund ausgesprochen, und
da jede Idee eine Feststellung des
Göttlichen und infolgedessen religiösen
Ursprungs, also ein Gebet ist, so drückte
der rhythmische und musikalische Vers
seiner antiken Mission abstracter und
geheiligter Sprache zufolge diese Idee
auch aus. Der Vers war das ideologische
und intellectuelle Element. Die Sym-
phonie, nach dem System des Wagner-
schen »Leitmotivs« aufgefasst, stellte
das sensitive und leidenschaftliche Ele-
ment dar. Die Geste war auf Grund
der mimischen Combinationen das
thätige Element; das Ballet war das
belebte Element der Decoration und
verkörperte die Theilnahme der Natur
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