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der Naturwissenschaften bittern Schmerz,
über den sie sich nur mit Lombrosos
These trösten, Genie sei dem Irrsinn ver-
wandt; denn der Gedanke, diese Riesen
des Geistes könnten logisch zu so
barocker Mystik gelangt und das »klare«
Denken kleiner Specialisten nur ein Größen-
wahn der Beschränktheit sein, wäre ja
Sacrilegium. (Vergleiche den göttlichen
Spott in Blavatskys »Geheimlehre« bei
Auseinandersetzung mit Haeckel und Con-
sorten, wie ein Komet vor dem ver-
sammelten Weltall die Gravitationslehre
leugnet und ihr mit seinem Schweif ins
Gesicht schlägt.) Der große Realist Napo-
leon, dem eine gewisse Verstandesklarheit
kaum abzustreiten wäre, stand in ver-
trautem Verhältnis zur (historisch nicht
genügend beleuchteten) Seherin Lenormand
und erklärte offen: »Ist meine Mission
erfüllt, kann ein Atom mich fällen; bis
dahin vermag man nichts wider mich.«
Der nüchterne Realist Cäsar verwarf zwar
allen »Aberglauben«, vernichtete in seinem
Hass gegen alles Mystische die Bibliotheken
von Bibrakte und Alexandria, um die
Geheimlehre der Druiden und Isispriester
aus der Welt zu schaffen, musste aber
selbst die verlachte Warnung vor »des
Märzen Idus« erfüllt sehen. Gerade die
mächtigsten That- und Willensmenschen
(Cromwell, Luther, Calvin, Alexander,
Ansätze dazu auch in Friedrich und Bis-
marck; auch der gewaltige Hohenstaufe
Friedrich II. war Astrologe) beseelt der
Glaube an Schicksal, Vorbestimmung, Ein-
greifen übersinnlicher Mächte. Denn gerade
sie erfahren am besten, dass menschliches
Wollen, ob noch so stark, sich in vollster
Abhängigkeit von Unbekanntem befindet
und sich für sich allein — als Übermensch
— nicht durchsetzen kann. Bonaparte hat
hierüber ein tiefes Wort, ungefähr des In-
halts: nach Berechnung aller Möglichkeiten
bleibe noch ein unlösbarer Rest, den man
dem Schicksal überlassen müsse, und diesen
mit in Berechnung zu ziehen, sei —
Genie. Was folgert nun daraus? 1. Das
Ich, je höher es sich aufbäumt, ahnt
umso tiefer insgeheim seine wehrlose
Nichtigkeit. Hiermit aber widerlegt die
Ichsucht sich selber, und es dämmert ihr
die Erkenntnis, dass die ewige Vor-
bestimmung unmöglich den unfreien Willen
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des Ich als Lösung des Menschenräthsels
gemeint habe, dass also das Person-Ich
nur etwas wesenlos Vergängliches sei und
der denkende Mensch eine andere Basis
finden müsse, um sich zu behaupten. Dies
gewährleistet die objective Versenkung ins
All (Nirwana) einerseits — und anderer-
seits folgt aus Erkenntnis der Vorbe-
stimmung, dass dies unbewusste, unbekannte
Lebensprincip im Innern, dessen absolute
Vernichtung durchaus der Logik und der
thatsächlichen »Erhaltung der Kraft«
widersprechen würde, auf anderem Urgrund
beruht, als dem einmaligen Körperdasein;
aus der festen Erkenntnis des Vorbe-
stimmungs-Schicksals folgert ein Vor-
hergehen und Nachfolgen der nämlichen
Existenz in nur äußerlich veränderter
Form. 2. Obschon »Moral« und »Gewissen«
an sich beweislos in der Luft schweben,
eine Ethik auf dem beschränkten und
geblendeten Ich-Verstand nicht aufgebaut
werden kann — es sei denn eine ordinäre
Nützlichkeitsmoral —, so empfanden
gleichwohl grade die gewaltigsten Ichs
am tiefsten das Walten einer höheren
moralischen Ordnung der Dinge. Diese
lässt den Ich-Wahn, selbst wenn er sich
objectiviert auf nur halbegoistische, welt-
liche Zwecke richtet, allemal an sich selber
scheitern und beugt den Größten unter
ein Sittengesetz, das er nur widerwillig
anerkennt, dessen Walten er aber deutlich
verspürt. Es sei erinnert an Alexanders
Gespräche mit dem indischen Büßer, an
Cromwells reuevolle Frage auf dem Todten-
bett, ob man »aus der Gnade fallen« könne,
»denn ich weiß, dass ich nicht in der
Gnade war«, nämlich, als er in selbstloser
Begeisterung Englands Befreiung erstrebte.
Der Sterbende betete, dass alles, was er
schlecht gethan, nur ihm selber, alles,
was er gut gethan, dem Volke angerechnet
werden möge, — womit er sich in Be-
zeugung des Sittengesetzes zu eigenem
guten Karma die Bahn brach. Ähnlich
donnerte zwar Napoleon, subjectiv mit
Recht: »Ich bin anders als die andern
und ihre Gesetze sind für mich nicht da«,
aber auf St. Helena dachte er anders und
pries Jesus als den einzig wahren Eroberer.
Diese Bezeugung moralischer Weltordnung
und Nichtigkeit des Ich durch die größten
Menschen hätte schon allein bedeutendes
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