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— Es braucht kein Geist vom Irren-
hause herzukommen, um das zu sagen.
O Sie unlogischer Logiker! Sehen Sie denn
nicht, dass das, was Goethe meint und
worauf diese thatsächliche Ungleichheit
der Menschen beruht — nämlich die sehr
verschiedene Entwicklung ihres Karma
— gerade durch die Karma-Lehre gewähr-
leistet wird? Die in Schmerzen und mit
eigenem Ringen gewonnene und fest-
gestellte »Persönlichkeit« — nicht zu ver-
wechseln mit der absolut vergänglichen
»Person« — lebt unzerstörbar von Karma
zu Karma fort. Dieser berechtigte Stolz
der Eigenart wird hiedurch unendlich ge-
stärkt, und der sophistische Prophet des
Ich fühlte dies auch recht gut, wie
Nietzsches hinterlassene Halbbekehrung
zur Mystik »die ewige Wiederkehr des
Gleichen« bezeugt. Übrigens verzerrt er
selbst hier die geahnte Wahrheit ins
Paradoxe, denn von Wiederkehr des
»Gleichen« kann überhaupt nie die Rede
sein, da die Causalität ewige Transfor-
mation bedingt. Die uralte Lehre der
Karma-Evolution steht also auch hier auf
unendlich festerem Grunde der Natur-
Erkenntnis, als »modernste« Haarspalterei.
Meinte aber Nietzsche nur die Wieder-
kehr ungefähr gleicher Daseinsgesetze,
dann liegt ja darin das Eingeständnis,
dass die Eigenart der »Persönlichkeit«
doch wohl nicht so »eigen« ist, als man
sich einbildet. »Der Einzige und sein
Eigenthum« (Stirner) ist ein größen-
wahnsinniger Phantast, der sich besondere
Attribute beilegt, die ihm gar nicht
»einzig«, sondern nur als »Eigenthum«
der in ewiger Wiederkehr »gleichen«
Daseinsbedingungen zukommen, d. h. sozu-
sagen leihweise mit bestimmter Kün-
digungsfrist verliehen sind.
— Ob leihweise oder nicht! Zwar
muss ich zurücknehmen, was ich theore-
tisch gegen das Princip des Karma
äußerte, nach Ihrer neuen Auffassung der
Evolution darin und Ihrer Darlegung, dass
gerade hierin das Ich, auf dem alle Würde
der Menschheit und ihr Fortschritt beruht,
gleichsam verewigt wird. Nicht aber kann
ich damit zusammenreimen, dass der
Buddhismus nun dennoch den Abfall
vom Ich, ja dessen Zerstörung predigt.
Das Ich ist unsere Kraft und Freude.
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— Kraft allerdings! Es ist unser Mittel,
unsere Waffe zur Evolution unseres Karma,
um höhere Stufen zu erringen und durch
kämpfende Erfahrung immer vielseitiger
uns zu stählen für das letzte Ringen um
den Siegespreis, das körperlos-ichlose Ein-
gehen in Nirwana. Doch Freude —! Seht
doch die so glückliche Stimmung der
Caligula, Nero, Philipp II., Innocenz IV.
und anderer alter und moderner Despoten;
je unfrommer, desto frömmelnder sich ihr
widrig zwerghafter Größenwahn geberdet
und mit unchristlichster Heidengesinnung
das Christenthum unnützlich im Munde
führt! Unübertrefflich schildert Shake-
speare die grelle Ahnung des triumphie-
renden Ich, das rücksichtslos sich durch-
setzt, in den Schlussmonologen Macbeths
und Richards III.: »Richard liebt Richard,
das heißt: Ich bin Ich. Ich liebe ja mich
selbst Ach leider nein, vielmehr hasse
ich mich selbst Ich möchte rächen —
wen? Mich an mir selbst?« Die
letzten Worte gehören zum tiefsinnig
Genialsten, was je ein Menschenmund
sprach. Oder hören Sie selbst höher geartete
Egoisten, wie Goethe und Bismarck, beichten,
dass sie im Leben höchstens vier Wochen
des Behagens alles in allem genossen
hätten! Und nun vergleichen Sie damit
das erhabene Seligkeitsgefühl des armen,
gehetzten Giordano Bruno oder Jakob
Böhmes und vieler schlichter Helden und
Märtyrer, von denen allen es heißen darf
in ihrer irdischen Bedrängnis: »Die Nacht
scheint tiefer tiefst hereinzudringen, jedoch
im Innern leuchtet helles Licht.« Denn
dass er, der ganz in der rohen Realität
zu leben meint, zuletzt den Sinn für die
Realität verliert, ist das tückische Ver-
hängnis des Ichlings, dem zuletzt sogar
der embryonische Mahatma (wirkliche
Übermensch) Napoleon erlag, der ur-
sprünglich mit übermenschlicher Klarheit
— vermöge seiner inneren, furchtlosen
Objectivität — das Reale sah, fasste und
formte. Das Ich, an die Materie gebunden,
stößt sich unaufhörlich an den Schranken
der Materie wund, daher sein dauerndes
Unbehagen. Und nun vergleichen Sie damit,
wie der große, unselige Byron sich vom
Ich zu erlösen wusste. Indes die winselnden
Ich-Poeten, Affen seines echten Welt-
schmerzes, sich fieberisch im Kreise drehen,
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