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steigt dieser Halb-Befreite in den Auf-
schwüngen seiner All-Sehnsucht auf die
Zinne Nirwanas. Ein geheimnisvoll un-
heimliches Straf-Karma drängte ihm vorüber-
gehend den Genussbecher Sansaras auf,
doch sein im Keime gebrochener Buddha-
Charakter — seine phänomenale Herzens-
und Mitleidsgüte vom Kind bis zum Mannes-
tod kennzeichnet ihn als solchen —
wendete sich nicht nur sofort vom Wermuth
ab, den seine feinen Lippen schmeckten,
sondern durchschaute auch mit eins den
Schleier der Maya. Im höchsten per-
sönlichen Leid ruft er: »Ich lebe nicht
in mir, ich bin ein Theil des Alls
Und der Unendlichkeit Gefühl sich regt,
wenn, einsam, wir am wenigsten allein
Sind Berge, Wellen, Lüfte nicht ein Theil
von mir, wie ihrer ich? Und liebte ich
sie nicht immer mit reiner Liebe?
Ich verlange nichts von der Natur, als sie
zu verehren mit tiefem Denken Mein
Dom sind Meer, Gebirg und Firmament,
alles, was von dem großen Ganzen ent-
sprang, das unsere Seelen schuf und sie
zurückempfängt.« Ausdrücklich nennt er
sich »zufrieden« und »für vergangenes
Leid nicht undankbar. Denn nicht um-
sonst, um seiner selbst willen kaufen wir
Leiden ein.« Und sein Lucifer gibt dem
Weltschmerz die Erlösung: »Duldet und
denkt! Schafft eine innere Welt im Herzen,
wenn die äußere versagt! So kommt der
Geist-Natur (spiritual nature) ihr näher
und kämpft siegreich mit eurer eigenen.«
Nun, ihr Materialisten brüstet euch ja so
viel mit dem praktisch Beweisbaren —
hier habt ihr den Experimental-Nachweis,
hier und in zahllosen ähnlichen Fällen,
wie selbst das stärkste Ich (Byron) Glück
und Erlösung nur in Auflösung des Ich
empfindet. Entfremde dich deinem Ich und
befreunde dich mit dem All, das alsbald
dein Zutrauen überschwenglich belohnt,
und du hast das angezweifelte Nirwana
gefunden.
— Ich bekenne mich auch in diesem
Punkte geschlagen. Denn es scheint freilich
unumstößlich, dass die höchsten Glücks-
gefühle nur als ichlos erzeugt werden
können, somit die Nietzsche’sche Vergötte-
rung des Ich auf Widersinn hinausläuft. Ich
begreife: der Übermensch würde eben
über dem Ich-Menschlichen stehen, nicht
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aber als »blonde Bestie« mitten drin mit
krankhaftem Ich-Krampf, der sich eine
überspannte Stärke vorheuchelt. Aber Sie
geben doch zu, dass nur Wenigen diese
ichlosen Glücksgefühle zugänglich sind, dass
ihre Erwerbung also auch an bestimmte
bevorzugte Ichs gebunden ist. Warum
nur an sie?
— Weil ihr Karma eben früher
zum Heil des Nirwana hinleitete, vermöge
heroischen Ringens ihrer früheren Karmas.
Irgendwelche willkürliche Bevorzugung
(Gnadenwahl) waltet nicht ob; denn an
sich soll alles Lebendige — »mit uns
sehnet sich alle Creatur«, sagt der Adept
(occult eingeweihte) Paulus — zum gleichen
Ziel gelangen, und wird es einst, früher
oder später.
— Schön! Wo aber steckt des
Menschen erste Schuld, die ihn ins
Karma verstrickte? Wollte das Proto-
plasma werden? War schon der Urschleim
sündig? Begehrte er Leben, wollte er
Mensch werden? Producierte der Adam
Homo sich kraft seines Willens in die
Welt hinein? Wollen Sie gefälligst er-
klären, wie wir etwas »wollen« können,
ehe wir sind? Wie schön sagt Nietzsche:
»Was nicht ist, das kann nicht wollen,
was aber im Dasein ist, wie könnte das
noch zum Dasein wollen?« Und trägt
nicht mein Vater die Schuld meiner
Existenz? Hängt nicht mein Karma von
seinem ab? Also hängen wir ab: 1. vom
früheren Karma; 2. von dem, was im
eigenen Lebenslauf dazukommt; 3. von
den Eltern. Und das alles soll man zum
Nirwana hinlenken — mit freiem Willen
etwa? O mystische Fiction!
— Zuvörderst werfen Sie alles durch-
einander und sehen drei verschiedene
Karmas, wo nur eines und dasselbe waltet.
Ihr früheres und jetziges Karma ist an
sich absolut eins, nur die Einwirkung der
Causalität ist verschieden: Sie sehen das-
selbe Bild, nur von verschiedener Seite.
Das Karma Ihrer Eltern berührt Sie nur
indirect, denn, metaphysisch betrachtet,
setzten nicht sie Sie in die Welt, son-
dern Sie ließen sich von ihnen setzen.
Das heißt: Um ihr Physisches und ihr
Milieu, das für den Zweck passend erschien,
für sich zu gewinnen, wählte das neu
zu bildende Körper-Ich sich diese Eltern
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