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Von Anbeginn der Forschungen gibt
es keinen Philosophen, der nicht vom
Menschen, seiner Individualität, seiner
Person gesprochen hätte. Doch die
alten Philosophen hielten sich nie mit
der Beschreibung dieser Persönlichkeit
auf, die als zu bekannt betrachtet
wurde, sie giengen sofort darüber hinaus,
um ihr Princip, ihre Ursache zu ent-
decken. Von der Person giengen sie un-
mittelbar zur Seele über, indem sie unter
diesem Wort das Princip unseres Denkens
und Handelns verstanden. Zweifellos
dienten psychologische Beobachtungen
dazu, um die Auffassung dieser Seele zu
begründen. Die drei Seelen, von denen
Plato sprach, sind thatsächlich nur der
Ausdruck der verschiedenen moralischen
Bestrebungen, die er beobachtet hatte.
Doch diese psychologischen, immerhin
etwas kurzen Beobachtungen sind innig
verschmolzen mit den Allgemeinbetrach-
tungen über die Natur der Wesen;
meistens wird die Natur der Persön-
lichkeit oder der Seele sogar aus den
Allgemeingedanken des Autors über die
Natur aller Wesen gefolgert. Kann man
die berühmte Definition des Aristoteles
über den menschlichen Geist verstehen,
die Form des organisierten Körpers, der
das Leben als Macht (Möglichkeit) enthält,
wenn man nicht bereits die Theorien des
griechischen Philosophen über die Form und
die Materie kennt? Selbst Descartes, der sich
durch sein »Cogito« auf die innere Be-
obachtung zu stützen schien, geht bald
darüber hinaus und definiert die Seele als
den Stoff durch die Ideen, die ihm als
die klarsten und dem Verstande ein-
leuchtendsten erscheinen.
Diese beiden Auffassungen von Persön-
lichkeit und Seele sind so eng verbunden
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und verknüpft, dass man eine nicht dis-
cutieren zu können glaubt, ohne gleich-
zeitig die andere anzugreifen. Durch diese
Verwirrung lässt sich das berühmte Para-
dox David Humes erklären, der die Existenz
der menschlichen Individualität voll-
ständig leugnet. »Wenn ich,« so sagt er,
»zu dem intimsten Punkte dessen gelange,
was ich »mich selbst« nenne, so falle ich
stets auf eine oder die andere eigenthüm-
liche Vorstellung, auf eine Vorstellung
von Wärme oder Kälte, von Licht oder
Dunkelheit, von Liebe oder Hass, von
Qual oder Vergnügen. Ich kann nie dazu
gelangen, mich selbst zu erfassen ohne
eine Vorstellung, und nie kann ich etwas
anderes beobachten, als die Vorstellung.
Es gibt keinen beständigen und unver-
änderlichen Eindruck; es kann weder
von einer dieser Empfindungen, noch von
einer andern die Idee in mir abgeleitet
werden, folglich existiert die Idee des
Ich nicht.«** Die Behauptung, die Idee des
Ich existiere nicht, gewisse Phänomene
erscheinen mir nicht genau als die
meinigen, wäre recht unverständlich, wenn
man nicht bedächte, dass Hume die Auf-
fassung der Seele discutiert, die er mit
der des Ich verwechselt.
Wäre es nicht anstatt dieser augen-
scheinlich oberflächlichen Negation besser,
nothwendige Unterschiede aufzustellen und
die Probleme zu trennen? Diese Unter-
scheidung des Problems der Seele und
des Problems der Person ist häufig sogar
von den alten Philosophen vorgenommen
worden. Ich will nur an die Meinung eines
berühmten kartesianischen Philosophen er-
innern, der als der Vater der wissen-
schaftlichen Psychologie betrachtet werden
kann; ich will von Malebranche sprechen:
»Das innere Gefühl, das ich von mir selbst
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