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Der Begriff des vom heiligen Geiste
erfüllten Gott-Menschen, der seine Kraft
aus steter Beziehung zum »Vater im All«
(»der du bist in den Himmeln«) ziehen
muss, ist als solcher durchaus richtig und
haltbar. Der Egoismus der Ich-Religion
musste dies erhabene Mysterium missdeuten
und aus der steten Wiedergeburt
Wischnus als Buddha — die tibetanische
Tradition nennt symbolisch 77 Buddhas!
— eine einmalige Gott-Niederkunft
machen, beschränkt auf kleine Zeitlich-
keit und seine speciellen »getauften
Anhänger«. Natürlich steht in den
Evangelien kein Sterbenswörtchen von
der allgemeinen Sündenvergebung durch
»Glauben« an Christo, vielmehr steht dort
die Sündenvergebung stets im Zusammen-
hang mit Zornausbrüchen gegen die Ge-
setzesheuchelei der Pharisäer, die heute
noch als Kirche und Staat allmächtig
Christi Namen missbraucht. »Wer sich rein
fühlt, werfe den ersten Stein« und die
Worte am Kreuze: »Morgen wirst du mit
mir im Paradiese sein«, das entspricht
einfach dem buddhistischen Wissen, dass
nicht die Handlungen — oft täuschend
wie Worte —, sondern die innerste Ge-
sinnung das Wesentliche seien. Den
Schacher am Kreuze mochte sein Karma
in böses Handeln verstrickt haben, seine
Gesinnung war so unzerstörbar edel, dass
er eigene Todespein in ehrfürchtigem
Aufschauen zum sterbenden Genius ver-
gaß und ihm als herrlichste Tröstung die
Herzstärkung in den Tod mitgab: »Ich
glaube an dich, gedenke meiner, wenn
du in dein Reich kommst« —unvergesslich
schöne Menschlichkeit, an die man sich
nie ohne tiefe Bewegung erinnern wird.
Ein so hervorragend edler »Schacher«
gieng naturgemäß ins Reich der Erlösung
ein, wie die Pharisäer an den Ort, »wo
da ist Heulen und Zähneklappern«, die
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ewige Wiedergeburt heuchlerischen Schein-
lebens. Irgendwelche Verschiedenheit
zwischen dem Ethischen der Evangelien
und des Buddhismus lässt sich höchstens
darin erkennen, dass die »Liebe« in
ersteren sozusagen temperamentvoller und
ungestümer — auch bei Paulus — sich
ausprägt, als in dem »unermesslichen
Wohlwollen« Buddhas, dessen abge-
klärtere Ruhe eben der höheren denke-
rischen Würde seines Systems entspricht.
Wenn Jesus so herrlich ruft: »Wie Moses das
Bild der ehernen Schlange erhöhte, so soll die
Menschheit (der Menschensohn, in mir, dem
Menschensohn) emporgehoben werden«, so
drückt dies die Wahrheit aus, dass die
träge Menschheit nur durch sichtbares
Symbol eines »Heilands« sich zum Be-
wusstsein ihrer unbewussten Göttlichkeit
emporziehen lässt. Mit stolzer Demuth
versichert Jesus aber ausdrücklich: »Wer
an meine Lehre glaubt, wird ebenso
große Wunder thun als ich, ja größere
als ich«, womit er ja aufs bestimmteste
jede Alleingiltigkeit ablehnt. Auch weiß
er von Special-Auferstehung nichts im
Sinne der Kirche, denn er will im Leben
seine Mission erfüllen, ehe denn die Nacht
kommt, wo man nicht mehr wirken kann.
Die »Sündenvergebung« wird, abgesehen
vom Gegensatz zum Pharisäerthum, nur
deshalb in allgemeine Aussicht gestellt,
weil der unfreie Wille »nicht weiß,
was er thut« (echte Karma-Lehre) und
die Motiv-Gesinnung (»ihr ist viel ver-
geben, denn sie hat viel geliebt«), sowie
das Relative (»wer sich rein fühlt« u. s. w.)
echt buddhistisch in Anschlag gebracht
werden, und zugleich, im Gegensatz zum
beschränkten Jehovah, die allweise All-Liebe
Gottes. Im übrigen predigen Jesus und
Paulus durchaus nur die Selbst-Erlösung.
Nicht an ihn, sondern an seine Lehre
soll man glauben, sie allein macht selig,
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