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gleichwie Buddha sich jede Verehrung
seiner Person verbat, gleichwohl aber den
ersten Hörern seine eigene »Vollendung«
triumphierend ankündigte: »Versiegt ist
der Wahn, die Unsterblichkeit gewonnen«.
Überall sehen wir Jesus das grobe Fassungs-
vermögen der Jünger zurechtweisen, wo
sie irgendwelche greifbare Formen, das
»Reich der Himmel« wünschen, nebst
plumper Vergöttlichung seiner Macht-
person. Eingang ins »Reich« zu verleihen,
ist ihm »nicht gegeben, sondern dem
Vater«. Den erhabenen Urgrund haupt-
sächlich als liebenden »Vater« zum
Menschen in innige Beziehung setzend,
hat Jesu holdselige Liebesinbrunst Un-
ermessliches für das Gemüth geleistet,
und ferne sei von uns, weil wir uns nach
dem indischen Buddha benennen, seine
gleichwertige Manifestierung im Galiläer
nicht mit gleicher Verehrung zu umfassen.
Sieht doch der Buddhist in diesen Gott-
Menschen nicht neue Heidengötzen pfäffi-
schen Wahns für den Stumpfsinn der
unerleuchteten Menge, sondern Vorbilder,
im wirklichen Sinne »Vermittler« zwischen
sich und Gott. Aber es darf doch nicht
verkannt werden, dass die systemlosen
Aphorismen der Evangelien und Paulinischen
Briefe schlechterdings nur dem esoterischen
Buddhisten als Parallele occulten Sinnes
verständlich sein können, dass die an sich
schon unklaren und widerspruchsvollen
Texte durch pfäffische Interpretation und
sogar falsche Übersetzungen noch unklarer
und daher für den Verstand des Durch-
schnitts-Gebildeten heute einfach unge-
nießbar wurden. So hat die Kirche den
Unsinn: »Selig sind die geistig Armen«
als Anpreisung der Dummheit und Un-
wissenheit vom Herzen begrüßt, während
der richtige (echt buddhistische) Sinn:
»Selig, die nach Geist hungern«, wohl
weniger willkommen gewesen wäre. Auch
mit der Parabel: »So ihr nicht werdet
wie die Kinder« weiß der Unkundige
nichts anzufangen, der darin ein höchst
anfechtbares Lob kindischer Einfalt wittert.
Natürlich meinte Jesus in buddhistischem
Sinne, dass einseitige Verstandesbildung
des praktischen Lebens mit seinem Wust
von Conventionalitäten und Irrlichtern das
Seelenleben mehr und mehr seinem wahren
Ziel entfremde, seinem festen Anker ent-
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ferne, bis es steuerlos ins Wesenlose
scheitert. Diese trostlose Ich-Subjectivität
kennt das gutgeartete Kind so wenig,
dass es häufig von sich selbst in der
dritten Person redet und als objectiv
liebevolles »Engelchen« in die Welt hinein-
lächelt. Diese Erkenntnis, die dem Dichter
Wordsworth den barocken Vers eingab:
»Das Kind ist Vater für den Mann«,
beruht bekanntlich auf positiver Grund-
lage, insofern der Durchschnittsmensch schon
im siebenten Lebensjahre seine »geniale«
Periode durchläuft, wo er sich den un-
geheueren Gedankenschatz der Sprache
und die göttliche Fähigkeit forschenden
Nachdenkens spielend aneignet. Dass des-
halb das Genie »zeitlebens ein Kind bleibt«,
weiß ja sozusagen jedes Kind, d. h. diese
Thatsache ist als Household-word ein
Allgemeingut der Gebildeten geworden.
Es gibt also nichts Klareres und Ver-
nünftigeres, als »Werdet wie die Kinder«,
aber um zu verstehen, muss man die
Lehren des Occultismus über das Schwinden
der höheren Kräfte durch Ausbildung des
thierischen Verstandes kennen. Jesus lernte
die Geheimlehre vermuthlich in Egypten,
und seine Schöpfung darf nur als geniale
Ergänzung der uralten Weisheit Indiens
betrachtet werden. Weil aber dieser Maß-
stab fehlte und Buddha erst heute wieder
Europa bekannt wurde, hat soviel Miss-
verständnis und Verwirrung einreißen
können, dass die herrliche Freiheitslehre
Jesu von der Gotteskindschaft des Menschen
zu culturfeindlicher Unterdrückungswaffe
diente und noch dient. Das Kirchliche hat
den Christus dermaßen überwuchert und ver-
albert, dass selbst ein Schopenhauer den
banalen Unverstand niederschrieb: Die
Begebenheiten in Galiläa würden die uralte
Weisheit des Menschengeschlechtes nicht
ändern — auch ihm also sind die »Begeben-
heiten«das Wesentliche (im Banausensinn
der Menge), und er sieht nicht mehr durch
den Kirchenschutt hindurch die absolute
geistige Identität Jesu mit Buddha, aus
welchen Beiden das dritte Reich des neuen
Buddhismus hervorgehen soll. Wir mussten
uns hier mit dem wahren Christenthum
auseinandersetzen, wie es freilich selbst
Tolstoi mit rationalistischer Verwässerung
nicht vom Schutt reinigt. Mir war es
bezeichnend, dass Sie als Materialist lieber
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