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ihrer knorrigen, drohenden Arme, mit
dem Fliegen ihrer grünen Mähnen ihre
unbezwingliche Kraft verkündend, den
Stolz ihrer Muskulatur, ihren Saft, heiß
wie Blut, ihre ewige Herausforderung
an den Sturm, an den Blitz, an die
böse Natur; Cypressen, die ihre be-
ängstigenden schwarzen Flammen-
silhouetten aufrichten; Gebirge, sich
krümmend, wie der Rücken des Mammut
oder des Rhinoceros; weiße, rosige
und blonde Obstgärten, wie ideale
Träume von Jungfrauen, kauernde
Häuser, leidenschaftlich verzerrt, wie
Wesen, die genießen, leiden, denken;
Steine, Terrains, Gestrüpp, Rasen,
Gärten, Ufer, die, könnte man sagen,
aus unbekannten, polierten, spiegelnden,
regenbogenfarbigen, zauberischen Mine-
ralien bestehen; flammende Land-
schaften, die die Aufwallung vielfarbigen
Emails in irgendeinem diabolischen
Alchymistentiegel zu sein scheinen;
Laub wie von antiker Bronze, von neuem
Kupfer, gesponnenem Glas; Blumen-
beete, die weniger Blumen sind, als
allerreichste Schmucksachen aus Ru-
binen, Achaten, Onyxen, Smaragden,
Diamantspat, Chripoberilen, Amethysten
und Chalcedonen; es ist das universelle
und tolle, blindmachende Leuchten der
Dinge; die Materie, die ganze Natur
frenetisch gewunden, im Paroxysmus,
zum Gipfel des Aufruhrs gestiegen;
die Form zum Alp geworden, die
Farbe zu Flammen werdend, zu Lava
und Edelsteinen, das Licht zum Feuer-
brand, das Leben zum heißen Fieber.
So ist — und keineswegs über-
trieben, wenn man dies auch denken
könnte — der Eindruck, den das erste
Anschauen der seltsamen, intensiven
und fieberhaften Werke Vincent van
Goghs im Auge zurücklässt, des
Landsmannes und nicht unwürdigen
Nachkommen der alten holländischen
Meister.
O, wie weit sind wir — nicht
wahr — von der schönen, großen,
alten, sehr gesunden, sehr wohlabge-
wogenen Kunst der Niederlande! Wie
weit von Gérard Dow, von Albert Guyp,
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Terburg, Metzn, Pieter de Hoogh, Van
der Meer, Van der Heyden und ihren
gefälligen, ein wenig spießbürgerlichen,
so geduldigen und sorgfältigen, so
phlegmatisch geleckten, so gewissenhaft
minutiösen Leinwänden! Wie weit von
den schönen Landschaften, den be-
scheidenen, wohlerwogenen, immer von
weichen, grauen, unbestimmten Dünsten
eingehüllten Landschaften des Van der
Heyden, Berghem, Ostade, Potter, Van
Goyen, Ruysdael, Hobbema! Wie weit
von der ein bisschen kalten Eleganz
des Wouwerman, der ewigen Leuchte
von Schalken, der ängstlichen Kurz-
sichtigkeit, den feinen Pinseln und der
Lupe des guten Peter Slingelandt!
Wie weit von den delicaten und immer
ein bisschen wolkigen und nebligen
Farben der Länder des Nordens und
den unermüdlichen Naschereien dieser
behäbigen Künstler von da unten und
ehemals, die »bei ihrem Ofen malten«,
den Geist sehr in Ruhe, die Füße
warm und den Wanst voll Bier, und
wie weit von dieser honetten, sehr
bewussten, sehr gewissenhaften, sehr
protestantischen, sehr republikanischen,
sehr genial banalen Kunst dieser un-
vergleichlichen alten Meister, die das
einzige Unrecht hatten — wenn es
ein Unrecht war für sie — alle Familien-
väter und Bürgermeister zu sein!
Und doch, man täusche sich nicht,
Vincent van Gogh ist keineswegs so
sehr außer seiner Rasse. Er unterliegt,
besser als manche anderen, den unver-
meidlichen, atavistischen Gesetzen, aus
denen Taine gern ein Geheimnis macht.
Er ist sehr wohl und gebürender-
maßen Holländer, von der sublimen
Linie des Franz Hals.
Und vor allem, er ist in der That,
wie alle seine berühmten Landsleute,
ein Realist, ein Realist in der ganzen
Kraft dieser Bezeichnung.
Ars est homo additus naturae hat
der Kanzler Bacon gesagt. Und Emile
Zola hat den Naturalismus definiert als
»die Natur, gesehen durch ein Tempera-
ment«. Nun, es ist »homo additus«,
es ist dieses »durch ein Temperament«,
diese nach den Persönlichkeiten ver-
schiedene Deformation, der Abdruck
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