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Unter Suggestion verstehen wir die
Erweckung von Gefühlen und Vorstellun-
gen in einem für psychische Übertragungen
zugänglichen Menschen.
Am deutlichsten tritt uns das Wesen
der Suggestion in der Hypnose entgegen.
Hier werden die eigenen Gedanken und
Empfindungen des im hypnotischen Schlafe
Befindlichen auf Kosten fremder, vom
Hypnotiseur eingepflanzter Vorstellungen
und Stimmungen ausgeschaltet, beziehungs-
weise stark zurückgedrängt. Der suggerierte
Gedanke wird dadurch isoliert, von den
eigenen Vorstellungen losgelöst und kann
nun mit viel größerer Kraft in Wirkung
treten.
Während im normalen, im Wach-
zustande Gedankenbilder und Gefühle nie-
mals rein, sondern stets vermischt und
mit anderen verhäkelt auftreten, ist in
den tieferen hypnotischen Schlafzuständen
der suggerierte Gedanke frei von jeder
Beimischung. Daher ist bei den unter
fremden Gedanken-Einflüssen stehenden
Hypnotisierten das Kritik- und Urtheils-
vermögen bis zu einem gewissen Grade
ausgeschaltet; er steht unter dem mono-
ideistischen Einflusse des ihm suggerierten
Gedankens und führt das aus, was der
Hypnotiseur will und verlangt.
Diese Thatsache ist von höchster Be-
deutung und gibt uns Aufklärungen über
mancherlei Erscheinungen, die bisher in
den Schleier des Problems gehüllt waren;
sie wirft auch, wie wir sehen werden,
ein helles Schlaglicht auf das künstlerische
Schaffen und den Kunstgenuss.
Wenn wir nämlich den Begriff der
Suggestion im weiten Sinne erfassen, so
merken wir bald, dass es auch eine Wach-
Suggestion gibt, ja dass gerade diese der
mächtigste Factor im geistigen Leben der
Menschheit ist, dass sie die größte Rolle
spielt in den Sitten, Gebräuchen, Moden
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und in der Erziehung des Menschen.
Durch Wort und Beispiel üben wir fort-
während einen Einfluss auf unsere Um-
gebung aus; andererseits empfangen wir
durch den suggestiven Einfluss, den die
Umgebung auf uns ausübt, bis zu einem
gewissen Grade unsere körperliche und
geistige Prägung.
Die Wach-Suggestion ist von der hypno-
tischen nur graduell verschieden. In der
hypnotischen Suggestion haben wir, man
könnte sagen, den tiefsten Contrapunkt-
ton in der Scala seelischer Zwangsvor-
stellungen, geistiger Fesselungen.
Alles, was uns auf unserem Lebens-
pfade in den Weg tritt, übt einen Einfluss
auf uns aus, ruft eine gewisse Veränderung
in uns hervor. Freilich sind die Wirkungen,
die die verschiedenen Personen und Dinge
unserer Umgebung in uns hervorrufen,
sehr verschiedenartige. Zweifellos übt aber
das, was am meisten Kraft und Wahr-
heit hat, auch die stärksten Reize auf
uns aus. Je stärker nun der Einfluss ist,
desto mehr werden andere Einflüsse,
andere Vorstellungen und Gefühle in den
Hintergrund gedrängt. Gedanken von
starkem Reizwerte werden monoideistisch
oder maskieren den übrigen Vorstellungs-
inhalt ihrem Charakter gemäß. So z. B.
versetzt der Gedankenschwung des Dichters
den mimischen Darsteller in einen diesem
dichterischen Schwung adäquaten Zustand
— ebenso wie sich der Hypnotisierte in
der Maske zeigt, die ihm der Hypnotiseur
aufzusetzen beliebt. Die schauspielerische
Darstellung ist eine Art Hypnose; und
je tiefer diese Hypnose beim mimischen
Künstler ist, je mehr er also den dichte-
rischen Gedanken von sonstigen Gefühlen
und Empfindungen loszuschälen und zu
isolieren vermag, umso getreuer und
glänzender wird seine künstlerische Dar-
stellung sein.
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