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Irrthum bewahren, diese Aufopferung sei
ihrem Wesen nach etwas Leidensvolles,
während diese im Gegentheile ihrem
eigentlichen Wesen nach ein freiwilliges
und frohes Ausströmen von Leben be-
deutet, auf dass auch andere Theil daran
haben; denn von Leiden kann nur da die
Rede sein, wo in der Natur des sich
Hingebenden zwischen dem Höheren,
dessen Freude das Geben ist, und dem
Niederen, dessen Genugthuung im Nehmen
und Behalten besteht, eine Disharmonie
vorhanden ist.
Das Opfer des Logos besteht darin,
dass er sein unendliches Leben freiwillig
einschränkt, um sich zu offenbaren. Sym-
bolisch gesprochen: im unendlichen Licht-
meer, das überall Centrum, nirgends Um-
fang ist, entsteht eine Weltkugel lebendigen
Lichtes, ein Logos, und die Oberfläche
dieser Lichtsphäre ist sein Wille, sich zu be-
schränken, auf dass er offenbar werde. »Das
ursprüngliche Opfer, das die Geburt von
Wesen verursacht, wird Handlung, Karma
genannt«, heißt es in der Bhagavat-
Gîta 8, 3, und dieser Übergang zur
Thätigkeit aus der Seligkeit der voll-
kommenen Ruhe des Selbstdaseins ist stets
als das Opfer des Logos aufgefasst worden.
Dieses Opfer setzt sich durch die ganze
Zeitdauer des Weltalls fort, denn das
Leben des Logos ist der einzige Unter-
halt für alle einzelnen »Leben«; er
schränkt sein Leben in jeder dieser
Myriaden von selbstgeschaffenen Formen
ein, indem er alle die Einschränkungen
und Begrenzungen, die jeder Form auf-
erlegt sind, auf sich nimmt. Aus einer
jeden von diesen könnte er in jedem Mo-
ment hervorbrechen als der unbeschränkte
Herr, der das Weltall mit seiner Glorie
erfüllt; aber nur durch die erhabenste Ge-
duld, durch langsame, ganz allmähliche Aus-
dehnung kann jede Einzelform emporgeführt
werden, bis sie zu einem selbständigen
Centrum unbegrenzter Macht wie er selbst
wird. Er schließt sich deshalb in Formen
ein und erträgt solange alle Unvollkommen-
heiten, bis Vollkommenheit erreicht, bis
sein Geschöpf ihm selbst gleich und eins
mit ihm geworden ist, jedoch mit eigenem
Erinnerungsfaden. So ist dieses Ausgießen
seines Lebens in Formen ein Theil des
ursprünglichen Opfers und besitzt in sich
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die Seligkeit des ewigen Vaters, der seine
Kinder als abgesonderte Leben aussendet,
auf dass jedes einzelne eine Intensität
entwickle, die nie mehr vergehen wird.
Damit ist dieses Opfer seinem Wesen
nach gekennzeichnet, wenn sich auch noch
andere Elemente mit diesem Haupt-
gedanken vermischen; es ist das freiwillige
Ausströmen von Leben, um andere daran
theilnehmen zu lassen, diese zum Leben
zu bringen und sie solange darin zu er-
halten, bis sie selbständig werden, und
dies ist nur eine Ausdrucksform göttlicher
Freude. Jede Ausübung einer Thätigkeit,
durch die der Handelnde seine Kraft zum
Ausdruck bringt, bereitet Freude. Geoffen-
bartes Leben ist thätige Bewegung — dann
muss es sich selbst ergießen. Deshalb ist
Geben das Merkmal des Geistes, denn Geist
ist das active göttliche Leben in jeder Form.
Andererseits besteht aber die wesent-
lichste Thätigkeit der Materie im Empfan-
gen; durch Empfangen von Lebens-
impulsen wird sie zu Formen organisiert;
dadurch, dass sie diese Impulse in sich
aufnimmt, werden die Formen erhalten;
ziehen sich die Lebens-Impulse zurück, so
zerfallen die Formen in Stücke. Alle
Thätigkeit der Materie ist empfangender
Art, und nur dadurch, dass sie empfängt,
kann sie als eine Form beharren. Deshalb
strebt und sucht die Materie immer danach,
sich selbst zu behaupten; das Fort-
bestehen der Form hängt von der Kraft
ab, mit der sie sich selbst erhält und
bewahrt; sie wird deshalb suchen, alles
in sich hineinzuziehen, was ihr möglich
ist, und wird jedem Auseinanderbrechen
widerstreben, durch das sie in Stücke
gienge. Ihre Freude wird im Erfassen und
Festhalten bestehen; Geben ist für sie
dasselbe wie um den Tod freien.
Von diesem Standpunkt aus ist sehr
leicht einzusehen, wie die Vorstellung
entstehen konnte, Opfer bedeute Leiden.
Das Opfer verminderte die Lebens-Energie,
die die Form als ihr Eigenthum bean-
spruchte, oder entzog sie ihr sogar ganz,
so dass die Form zugrundegieng. In der
niederen Formenwelt war dies die einzig
erkennbare Seite des Opfers. Vom Augen-
blick an, in dem der Mensch sich mit dem
Leben zu identifizieren beginnt, anstatt
mit der Form, kann er von dem Element
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