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Burgtheater. Ludwig
Fulda: »Der Sohn des
Kha-
lifen«, dramatisches Märchen in
vier Acten.
Herr Fulda lässt wieder einmal
die Könige in Unterhosen sehen:
er ist der Dramatiker des kind-
lichen Vergnügens, das noch
mancher empfindet, wenn den
Herren dieser Erde etwas Mensch-
liches passirt. Die Bedenken gegen
ein solches Entblössen der Historie
werden bei Offenbach von einem
Wirbelwind musikalischer Einfälle
hinweggefegt; das Libretto des
Herrn Fulda wird vom Orchester
des Burgtheaters im Stiche gelassen.
— Es ist eine groteske Zeiterschei-
nung, dass die Speculation unserer
seichtesten Köpfe sich auf revo-
lutionäre Themen wirft, deren Burg-
theaterfähigkeit ausser Frage steht.
Fulda predigt das Evangelium
der Nächstenliebe und unternimmt
es, den tyrannischen Uebermenschen,
indem er ihm einen harmlosen Socia-
lismus an die Seite stellt, zum mit-
leidsvollen Menschen zu erziehen.
Die wortspielerische Wandlung des
Charakters ist nach dem dritten
Acte vollzogen; der vierte bietet
das Bild eines in Mystik sich ver-
lierenden Librettisten. Dramatisch
schwelgt Fulda in den Farben-
resten, die er aus fremden Dichter-
paletten gekratzt hat. »Der Sohn
des Khalifen« setzt mit einer
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Parodie auf »Judith und Holo-
fernes« ein und leitet mit Be-
ziehung auf Calderon’s Sigismund
durch ein Motiv aus Ahasver und
»Meister von Palmyra« zu sceni-
schen Anklängen an »Romeo und
Julia«, »Tristan und Isolde« und
»Wintermärchen« hinüber. — Herr
Fulda ist sich stets consequent ge-
blieben; es war dieselbe Flachheit,
die ihn das Freiheitsbedürfniss der
»Sclavin« verkünden hiess, die-
selbe, die derartige moderne Be-
strebungen in den »Kameraden«
lächerlich machte. Im »Sohn des
Khalifen« lässt er dem »Talis-
man« wieder ein billiges Vexir-
stück folgen, das feuilletonisti-
sche Erkenntnisse in glatte Vers-
form kleidet. Dieser Königsfrozzler
hat sich bereits in den Credit
eines Revolutionärs gebracht; dies-
mal scheint er auf die Verweige-
rung des Schiller-Preises hingear-
beitet zu haben. — Den Helden,
der verdammt ist, alle Leiden, die
er seinen Nebenmenschen anthut,
selbst zu fühlen, spielte Herr Rei-
mers; er, der nicht fähig ist,
eigenen Empfindungen schauspie-
lerischen Ausdruck zu verleihen,
sollte nun auch die Seelenvorgänge
der anderen durchleben. Den Sehn-
suchtsschmerz seiner Geliebten blieb
dieser Prinz schuldig, man glaubte
ihm höchstens die Empfindung der
Ohrfeige, die er seinem Knappen
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