Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 96
Text
Wunderbar ist diese Nacht,
Die mich in dein Haus geladen;
Wie die fernen Wälder baden
In tiefdunkelblauer Pracht.
Und du hast das Fenster offen,
Dass wir alle Wunder schauen
Lass mich deinen Blicken trauen,
Halte deine Flechten offen.
Sieh! die Sterne glühn wie nie!
Nimm die Alabasterschale,
Reich’ sie mir zum Abendmahle —
Diese Nächte, fühlst du sie?
Keinen Schleier sollst du tragen;
Deine Schönheit will ich küssen,
Will sie ganz erkennen müssen
Und es dann dem Himmel sagen.
Gib mir Leben! gib, oh gib!
Gib mir Wein, dass ich ihn trinke.
Meine Seele hat dich lieb —
Du mein Traum, drin ich versinke.
O du weisst nicht, wie das ist,
Wenn ich so an dir vergehe
Und nur herrlicher erstehe,
Wie du dann mein Wunder bist.
Berlin. Franz Evers.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 96, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-03_n0096.html)