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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 108

Text

108 ELBOGEN.

»linken Handschriften«. Ich erbot mich sofort zu einem Ex-
perimente, und auch der Staatsanwalt erklärte sich um so
bereitwilliger mit einem solchen einverstanden, als die Schrift-
gelehrten meinen ganzen Vortrag für baaren Unsinn er-
klärten. Und bekanntlich lässt eine löbliche Tradition den
Staatsanwalt den Versuchen des Vertheidigers, sich zu bla-
miren, niemals hindernd entgegentreten.

Es wurde also auf der Stelle eine kleine Séance ver-
anstaltet. Das Commando übernahm der Vorsitzende. Ich und
mein Amtscollege bekamen den Auftrag, von einander ab-
gewandt, mit demselben Bleistifte einen Satz in lateinischen
Buchstaben mit der linken Hand niederzuschreiben und das
Geschriebene den Experten zu übergeben. Der Effect war
verblüffend. Die beiden Zettel waren nicht zu unterscheiden.
Die Angeklagten waren gerettet. Die Geschwornen beant-
worteten alle Fragen einstimmig verneinend.

Leoben aber hatte einen neuen Wintersport: alle Welt
schrieb mit der linken Hand.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 3, S. 108, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-03_n0108.html)