Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 171
Text
ihm zugesetzt, ganz freundschaftlich: »Gib 25.000 Rubel, wenn nicht
— revidirt man morgen.« Und nun stellt euch vor, es fanden sich
damals nur mehr dreizehntausend bei ihm vor, so dass er, wie es
scheint, jetzt recht à propos gestorben ist. Grand’père, grand’père,
hören Sie?«
»Cher Klinewitsch, ich gebe das vollkommen zu, und Sie haben
sich — ganz überflüssigerweise in Details eingelassen. Im Leben gibt es
so viele Leiden, so viele Foltern und so wenig Vergeltung Ich
hatte endlich den Wunsch, mich zu beruhigen und, so viel ich sehe,
hoffe ich auch hier Alles herauszuschlagen, was «
»Ich wette, dass er schon die Katisch Berestowa heraus-
geschnüffelt hat!«
»Was für eine was für eine Katisch?« sagte lüstern mit
zitternder Stimme der Greis.
»A, ach — was für eine Katisch!? Da, hier, links, fünf Schritte
von mir, von Euch etwa zehn Schritte. Sie ist schon den fünften Tag
hier; und wenn Sie wüssten, grand’père, was das für ein Luderchen
ist Aus gutem Hause, wohlerzogen und ein Ungeheuer letzten
Grades! Ich habe sie dort Niemand gezeigt, ich allein habe sie ge-
kannt. Katisch, melde dich!«
»Hi, hi, hi,« antwortete der rissige Klang eines Stimmchens,
in welchem etwas wie der Stich einer Nadel enthalten war, »hi,
hi, hi!«
»Ein Blon—din—chen?« fragte lallend und abgerissen in drei
Absätzen der grand’père.
»Hi, hi, hi.«
»Mir hat schon — schon lange — —« setzte stammelnd und
athemlos der Alte, »die Vorstellung von einem Blondinchen zugesagt
— — von fünfzehn Jahren — und gerade unter solchen Umständen.«
»Ach, das Ungeheuer!« rief Awdotja Ignatjewna aus.
»Genug!« schloss Klinewitsch, »ich sehe, dass das Material vor-
trefflich ist. Wir werden uns hier sofort auf das Beste einrichten. Die
Hauptsache ist, dass wir die übrige Zeit lustig verbringen. Allein was
für eine Zeit? He! Ihr! Beamter, Lebesjatnikow oder so was; ich hörte,
dass man Euch so nannte!«
»Lebesjatnikow, Hofrath, Semjon, Jewsejitsch zu Ihren Diensten
und sehr, sehr, sehr erfreut!« — — —
»Spucke drauf, dass Sie erfreut sind — sondern, Sie sind es,
wie mir scheint, der Alles hier kennt. Sagen Sie einmal; erstens (ich
wundere mich schon seit gestern darüber): Auf welche Weise geschieht
es, dass wir hier sprechen? Wir sind ja gestorben und dabei sprechen
wir. Es ist, als bewegten wir uns und dabei sprechen wir nicht und
bewegen uns nicht. Was ist das für ein Hokuspokus?«
(Schluss folgt.)
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 171, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-05_n0171.html)