Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 6, S. 206
Text
Ruhlos wandeln sie auf Erden,
Schon als Embryos belastet,
Und in Purpur und in Lumpen
Tragen ihres Daseins Fluch sie.
Tragen ihn erhobnen Hauptes,
Trotzig auf ihr Wesen pochend —
Oder scheu dem Licht entflohen,
Angstvoll vor sich selbst erschaudernd.
Schon als Kinder stehn sie düster
Abseits von den Mitgebornen,
Die in hellem Jubel tollen
Und nach bunten Faltern jagen.
Früh in ihrem jungen Busen
Regen sich geheime Lüste,
Regen sich geheime Schmerzen —
Und im Hirn Gedankenfrevel.
Und es nagt schon das Gewissen,
Eh’ sie wirklich noch gesündigt —
Aber plötzlich, unerwartet,
Kommt der Offenbarung Stunde!
Und dann weiter, immer weiter,
Ohne Gnade, ohn’ Erbarmen,
Ob sie drohen und vernichten,
Ob sie dulden und verzagen;
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 6, S. 206, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-06_n0206.html)