Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 6, S. 213

Alladine und Palomides (Maeterlinck, Maurice)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 6, S. 213

Text

ALLADINE UND PALOMIDES.
Ein kleines Drama für Marionetten von Maurice Maeterlinck.
Autorisirte Uebersetzung von Marie Lang.
V. ACT.

Ein Gang.

(Er ist so lang, dass seine letzten Bogen sich in einer Art inneren Hori-
zontes zu verlieren scheinen. Palomides’ Schwestern warten vor einer der un-
zähligen geschlossenen Thüren, die auf diesen Gang münden, und scheinen
sie zu hüten. Ein wenig weiter unten und auf der entgegengesetzten Seite
sprechen Astolaine und der Arzt vor einer anderen Thüre, die ebenfalls
geschlossen ist.)

Astolaine (zum Arzt).

Bis jetzt hatte sich in diesem Palaste nichts ereignet,
in dem, seit meine Schwestern darin gestorben sind, Alles zu
schlafen schien; und mein armer, alter Vater zürnte, verfolgt
von einer sonderbaren Besorgniss, ohne Grund über diese
Ruhe, welche indessen die wenigst gefährliche Gestalt des
Glückes scheint. Es ist nicht lange her — seine Vernunft
begann bereits zu schwinden — da stieg er auf einen Thurm,
und während er die Arme zaghaft gegen die Wälder und
gegen das Meer ausbreitete, sagte er mir — mit einem
bangen Lächeln, als wollte er mein ungläubiges Lächeln
entwaffnen — dass er von allen Seiten die Ereignisse riefe,
die sich seit Langem am Horizont verbärgen. Sie sind nun
eingetroffen, ach, früher und zahlreicher, als er sie erwartet,
und wenige Tage haben genügt, dass sie an seiner Stelle
herrschen. Er ward ihr erstes Opfer. Ganz in Thränen floh
er an jenem Abend, als er die kleine Alladine und den un-
glücklichen Palomides in die Grotten hinab bringen liess,
singend in die Wiesen. Man sah ihn seitdem nicht wieder.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 6, S. 213, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-06_n0213.html)