Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 7, S. 248
Text
Seitdem waren einige Stunden vergangen, die meisten
Gäste schon fort.
Grell leuchtete das Licht im Saale.
»Drei Ass« »Drei Könige« »Drei Damen«
»Drei Damen,« murmelte der Schreibende, »ich habe
nur eine gehabt, und mit ihr habe ich meine Partie verloren.«
Dann schrieb er wieder weiter, ohne dabei aufzusehen,
aus seinem Glase trinkend und in starken Zügen rauchend.
Um drei Uhr wurde das Café gesperrt; der Mann am
Lesetische nahm seine Schriften, zahlte und ging als Letzter.
»Ein ekelhafter Mensch,« sagte der eine der Kellner,
die ihm müde und übernächtig nachsehen, »ein Nacht-
vogel«.
»Kein Nachtvogel,« declamirte der Andere, sich genial
durch das wohl frisirte Haar streichend (in früheren Jahren
war er Statist an der »Burg« gewesen und wusste, wie es
Sonnenthal macht). »Ein Unglücklicher, der vor sich selbst
flieht. Ich kenne das!«
Und mit düsterer Miene, jeder Zoll Weltschmerz, gieng
er zur Cassa, um abzurechnen und der ihn bewundernden
Buffetdame zwei falsche Kronen anzuhängen.
Und die Stimmung des schreibenden Mannes am Lese-
tische?
Sehr unglücklich, meine verehrten Herren Kellner, sehr
unglücklich
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 7, S. 248, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-07_n0248.html)