Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 289
Text
(Oh, Sam lässt sich nur aus den besten Häusern liefern!)
— — — Dort entdeckt er; »dass Daudet ein Zola ohne
Grösse, aber mit mehr Naivetät ist«.
Gut. Sam geht direct an die Quelle; was sagen die
Kritiker von Zola? Er findet: »Ein breiterer, aber weniger
gewissenhafter Flaubert.«
Flaubert? Wer ist das? Die zeitgenössischen Kritiker
sagen von ihm, dass er »ein arbeitsamer, wärmevoller
Balzac ist.«
Sam lässt sich von Niemandem einschüchtern, nicht
einmal von posthumen Kritikern; wer ist dieser Balzac? Aber
ganz einfach! »der Chateaubriand des bürgerlichen Mittel-
standes!«
Nun beginnt Sam toll zu werden; er erkundigt sich
nach Chateaubriand; dieser ist der Aussage gut unterrichteter
Leute zufolge »der Bossuet des ersten Kaiserreiches«.
Ja, aber was ist Bossuet Anderes als »der heilige Johann
Chrysostomus des XVII. Jahrhunderts«!
Nun hält Sam bei Johann Chrysostomus; er verliert
den Muth nicht, obgleich er schon ziemlich niedergeschlagen
ist. Ich habe ihm gerathen, ganz einfach Paul Hervieu zu
lesen. Er hat mir geantwortet: »Nein, ich will das letzte
Wort in der Sache kennen; entweder sind die Kritiker
dazu da, um das Publicum zu belehren, oder sie sind unnütz;
wären sie unnütz, so hätte man sie doch längst schon ab-
geschafft. Ich werde die Sache bis ans Ende verfolgen.
Wenn es sein muss: bis zu Jehovah, der Quelle aller Defini-
tionen; und von Definition zu Definition werde ich endlich
zur Kenntniss dessen gelangen, was Paul Hervieu eigentlich
ist; dann erst kann ich mit ihm speisen.«
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 289, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0289.html)