Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 304

Ury’s neues Kolossalgemälde (Servaes, Franz)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 304

Text

304 SERVAES.

darin aussprechen wollte, war dieser muskelgeschwellte
Hercules der einzig zutreffende Ausdruck, und seine kühne,
gewaltsame Stellung möchten wir um keinen Preis missen.
Wie aber stets in Ury’schen Bildern, offenbart sich erst in
der Farbe die ganze Intensität dieser bis zum Zerspringen
vollen Künstlerseele. Wie Sturmrausch geht es durch diese
Farbe, wie jauchzendes Hallelujah, wie schmetternde Fan-
faren und wie starres, monotones Psalmodiren. Höchster
Jubel tönt im ersten Bilde. Durch goldenen Glanz gaukeln
prismatische Spiele. Der Ueberschwang der Jugend und
des Frühlings lacht hindurch. Dann der schwere, sengende
Mittag. Ein bleikühler Himmel über blau-weissem Meer.
Und wie eine dunkle Feuersäule hindurchragend die
bronzene Silhouette des Mannes. Auf dem Schlussbild trübe,
fliehende, gedämpfte Lichter. Ein schweres Grau als Domi-
nante. Unheimlich am stahlblauen Himmel, wie eine glühende
Glaskugel, die Sonne.

Ein Bekenntnisswerk von höchster individueller Kraft
und ein Malwerk von zwingendem souveränen Können,
durch diese Doppelheit wird Ury’s neues Bild, was es ist:
ein gewaltiges Kunstwerk.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 304, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0304.html)