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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 309

Text

DAS NÄCHSTE CONCLAVE. 309

nichts als einen Irrthum zu sehen; sie antworteten natürlich beleidigt
und ebenso beleidigend.

Wie masslos muss erst der Geist des unbegrenzten Selbstbewusst-
seins in dem Haupt der Kirche schwellen, wenn er die Reiche Buddhas
oder Mahomets zum wahren Glauben zurück entbietet! Dasselbe
thäten sämmtliche papstfähige Cardinäle, wenn sie morgen gewählt
würden, Vanuntelli, Jacobini, Svamba. Ein Conclave ist zu schwach,
den Geist des heutigen Katholicismus zu ändern, jede Wandlung ist
ausgeschlossen. Will man nicht annehmen, dass sich die menschlichen
Eigenschaften des Clerus von heute auf morgen in ihr Gegentheil ver-
kehren, so verstehe ich diese ganze Vermenschlichung und Universali-
sirung des Katholicismus nicht, nach der die Elite der Katholiken
unter ihrem Wortführer Péladan ruft.

Der Conservatismus und Misoneismus ist und bleibt die grösste
Macht in der Evolutionsgeschichte der Menschheit; und dass er auch
in der Religionsgeschichte gross genug ist, um alle momentanen Reform-
ideen bei Seite zu schieben, ist wahrlich gut. Denn eher stirbt eine
Religion, als dass sie sich — entgegen ihrem tiefsten Wesen — ver-
ändert.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 309, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0309.html)