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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 316

Text

316 KRAUS.

gibt der festen Zuversicht Ausdruck, dass nunmehr »dem Treiben ge-
winnsüchtiger Apotheker und Aerzte Einhalt gethan werde, nachdem
dieses kostbare Leben durch sie vernichtet wurde«

Die Lage im Orient gestaltet sich namentlich für die Choristinnen des
Theaters a. d. Wien immer bedrohlicher. Erst kürzlich, anlässlich einer
theatralischen Enquête, ist es an den Tag gekommen, dass in dem
Contracte, welchen eine Choristin mit der Direction des Theaters
a. d. Wien eingeht, diese es sich ausdrücklich vorbehält, das weibliche
Chorpersonale »in unvorhergesehenen Fällen, z. B. bei Ausbruch eines
Krieges oder einer Revolution«, spontan entlassen zu dürfen und so für
die Angelegenheiten der kleinsten Theaterleute die Weltgeschichte zu
strapaziren. Kein Wunder, wenn jetzt die Choristinnen des Theaters
a. d. Wien mit unverhohlener Angst nach Kreta blicken.

Die Kriegsfurcht allein verbindet die Chordamen und die männ-
liche Jugend des Landes, welche ihrerseits im Falle einer plötzlichen
Mobilisirung auf den Mittagscorso am Graben für einige Zeit verzichten
müsste. Beunruhigende Gerüchte durchschwirrten die Stadt, schon
rüsteten unsere Officiere zu einem humoristischen Vortragsabend im
Adelscasino, und thatsächlich war auch bereits Frau Baronin Suttner
aus Schloss Harmannsdorf in Wien eingetroffen, um in lustiger Ge-
sellschaft im Hôtel Continental zu soupiren.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 316, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0316.html)