Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 9, S. 333

Marianne heiratet (Kobor, Thomas)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 9, S. 333

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MARIANNE HEIRATET. 333

gelangweilte Stimmung ist nicht aufrichtig. Hier, in der Tiefe meines
Herzens schreit noch etwas nach Deiner duftigen Zaubergestalt, ich
kann es noch immer nicht glauben, dass Du verschwunden, vernichtet
bist für ewig. Gott verhüte es, dass Du als Frau das verliebte, wunder-
reiche Geschöpf bleibst, das Du gewesen. Dein anmuthreiches Sein hast
Du mir gegeben, ich hab es mir errungen um den Preis meiner
leidenden Liebe, und Du besitzest nicht das Recht, auch das dem
Andern zu geben, wie Du Dich selbst dem Andern gegeben. Wenn Du
vielleicht als prangende blühende Rose zurückkehren solltest und ich
noch immer Deine vollendete Schöheit, Deine leichten duftigen Be-
wegungen in Dir finden würde, dann sei uns Gott gnädig, ich stehe
für nichts.

In meiner Seele brennt verzehrende Bitterkeit, und wenn sie viel-
leicht zu zähneknirschender Wuth sich wandelt, dann bricht meine
unterdrückte Leidenschaft in feurigen Flammen aus, die imstande
sind, Euer Haus zu verbrennen, und — Gott sei mein Zeuge — ich
wäre verrückt genug, mich mit Dir unter den Trümmern begraben zu
lassen!


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 9, S. 333, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-09_n0333.html)