Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 404
Text
So thront sie stolz im kalten Nichtsempfinden:
Sie kennt der Menschheit fürchterlich’ Geschick,
Ihr Auge weiss den Weg in’s Herz zu finden,
Das Leben lähmt ihr todesstarrer Blick.
Den Marmorsaal durchströmen rothe Wellen
Dem leisen Wogen lauscht das bleiche Weib,
Die Schmerzensrufe, die den Raum durchgellen,
Sie färben rosig ihren todten Leib.
Nie fühlt die Sphynx, dass sie das Mitleid quäle,
Wenn sich ein Herz in greller Qual verblutet —
Nein — Freude zieht ihr kühlend durch die Seele,
Wenn dumpfes Leid die Menschen überfluthet
Paris. Graf Robert von Montesquiou.
Deutsch von Alfred Neumann (Wien).
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 404, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-11_n0404.html)