Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 437

Gegen die Emancipation des Weibes (Weisengrün, Dr. Paul)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 437

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GEGEN DIE EMANCIPATION DES WEIBES. 437

Forderung der Frauenemancipation, mit der sie fällt oder siegt. Ich
weiss, es gibt Damen, für die die Frauenfrage lediglich darin besteht,
ob man Bicycle in Hosen fahren oder in öffentlichen Localen Cigaretten
rauchen darf. Doch wer es ernsthaft meint mit gesellschaftlichen Pro-
blemen, wird einsehen, dass ausser dem Stimmrecht als Kampfmittel
zur Erlangung politischer und rechtlicher durchgreifender Aenderungen
höchstens noch wirthschaftliche Forderungen in Betracht kommen. Aber
all diesen wirthschaftlichen Forderungen kann man ja zustimmen, ohne
an der Geschlechtssclaverei des Weibes festzuhalten. Beim allgemeinen
Stimmrecht kann man es nicht.

Wir haben in aller Kürze die Lage dreier verschiedener Kate-
gorien von Frauen untersucht und haben gefunden, dass ihre Lage, wie
verschieden sie auch ist, doch etwas Gemeinsames aufzuweisen hat,
und dass dasselbe auch von ihren Freiheitsbestrebungen gilt. Worin
besteht nun dieses Gemeinsame? Es besteht in der Annahme, dass
das Weib als selbstständiges Wesen agiren kann
, und
dass der Mann sie daran hindere. Ist die Selbstständigkeit und Selbst-
herrlichkeit des Weibes als Postulat angenommen, so ergibt sich alles
Andere von selbst.

Unser nächster Aufsatz wird nun den Beweis erbringen, dass es
mit der psychischen Selbstständigkeit der Frau recht schlecht bestellt
und dass unsere Zurückweisung der Forderung des allgemeinen Stimm-
rechtes begründet ist.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 437, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-11_n0437.html)