Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 439

Rumpler-Ausstellung Hafner und Weilhart, »Keine Sühne« Weigand, »Der zwiefache Eros« Deutsches Volkstheater Weilhart und Hafner, »Keine Sühne«

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 439

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KRITIK. 439

Vorrecht reifer Culturen, das uns
verloren gegangen ist. Die Welt-
auffassung dieses Wiener Professors
reicht sicherlich nicht an die eines
Klinger oder Uhde heran. Ihm sind
die Abgrunde der modernen Ge-
dankenwelt verschlossen, die Wol-
lüste unserer Neurosen kennt er
nicht

Er gehört, unbewusst natürlich,
zu denen, die überwunden haben
und mit dem Autor der »gaya
scienza« wissen, dass der Schmerz
aus der Schwäche stammt. Er malt
»vornehme Werthe«; darin liegt
sein Wesen und das Geheimnis
seiner Wirkungen.

Felix Rappaport.

Deutsches Volkstheater.
»Der Biberpelz.« Diebskomödie in
vier Acten von Gerhart Haupt-
mann.

»Der Biberpelz« gehört zu jenen
Stücken, in denen Hauptmann
Seitenwege einschlug, die nicht in
der Richtung seiner natürlichen
Entwicklungslinie liegen. Unver-
besserliches Diebsgesindel führt
einen ihm nicht gewachsenen Po-
lizeibeamten an der Nase herum.
Solche Gestalten vegetiren in Ge-
genden der menschlichen Gesell-
schaft, die für künstlerische Aus-
gestaltung erstarrt und unter die
Schwelle der modernen Dramatik
gesunken sind. Hauptmann stellt die
Personen in die Zeit des Septen-
natskampfes. Also ein actuelles
Stück. Hiefür mangelt ihm der
politische Blick. Er greift daneben;
anstatt die politische Polizei, die
er nur nebenher streift, zu geisseln,
trifft sein Spott die Sicherheits-
behörde, die mit dem Septennat in
keinem Connex steht. Der Dichter
besitzt so viel Humor, um düstere
Scenen künstlerisch abzutönen, aber

zu wenig, um ihn ohne dunklen
Hintergrund leuchten zu lassen.
»Der Biberpelz« wurde vor vier
Jahren geschrieben: dieser Um-
stand soll uns dahin beruhigen,
dass nicht unmittelbar besorgt wer-
den muss, Hauptmann verschleudere
sein Talent in kleiner Münze.

F. Sch.

Der zwiefache Eros. Er-
zählungen von Wilhelm Weigand.
Verlag der G. Franz’schen Hof-
Buchhandlung. München 1896.

Fern von der naturalistischen
Novelle, die den trüben Bodensatz
der Menschenseele aufrühren will,
geht Wilhelm Weigand’s nur selten
gewundener Pfad. Grübelnder Sinn,
der ängstlich nach neuen Problemen
und Gestalten auslugt, ist seinem
Wesen fremd. Am liebsten zeichnet
er den Jüngling mit der zagen
Sehnsucht im Herzen, der dann
das Compromiss mit dem Leben
schliesst und sich mit einem eng-
umzäunten Glück bescheidet. Der
Inhalt der Erzählungen ist unbe-
trächtlich, und sie dürften keinen
Anspruch darauf erheben, gelesen
zu werden, wenn nicht eine ver-
flossene Alte Herren-Liebenswürdig-
keit ihnen einen melancholischen
Reiz geben würde. Daher versagt
auch die letzte Skizze (»Die neue
Seele«), die sich etwas moderner
geberdet, vollständig. Bei den an-
deren erdentrückten Harmlosig-
keiten aber beschleicht uns eben
jene linde Wehmuth, mit der wir
der Eltern altmodischen Sonntags-
staat im Kasten ruhen sehen. Er
kleidete ja gewiss gut und warm
und behaglich, wir aber ziehen
doch neumodische Gewänder vor.

Ludwig Bauer.

Keine Sühne. Schauspiel in
fünf Acten von Oscar Weilhart

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 11, S. 439, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-11_n0439.html)