Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 530

Drei Cartons von Sascha Schneider (Basedow, Hans von)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 530

Text

DREI CARTONS VON SASCHA SCHNEIDER.
(Von der Dresdener Galerie angekauft.)
Stimmungenvon Hans von Basedow.
I.

Oede ringsum — furchtbare, todesgraue Oede! Und
schauerliches Schweigen —

Wie rothgeweinte Augen zwei glühende Punkte.

Die grinsenden Augen der Schuld, die weinenden Augen
der Schuld. Denn die Schuld ist’s, die sich freut über ihr
Wesen, denn die Schuld ist’s, die Thränen über sich selbst
vergiesst.

Und mitten in der Oede ein Mann gefesselt, wehrlos
das Haupt gesenkt.

Und vor ihm die Tatzen der Schuld, ihn umklammernd
von Weitem und doch sicher unentrinnbar.

Und Oede ringsum, furchtbare, todesgraue Oede. Und
Oede im Herzen des Schuldigen, der dasteht gebeugt und
doch stark — denn die Schuld ist’s, die beugt und nieder
schmettert, denn die Schuld is’ts, die stark macht.

Wer will sagen, was Schuld ist? Was die wahre Schuld?
— Niemand und Nichts! Ist Schuld vor den Gesetzen Schuld?
Schuld vor den Menschen Schuld? Schuld vor Gott Schuld?

Es gibt nur eine Schuld, die Schuld vor sich selbst!

Oede ringsum, furchtbare, todesgraue Oede — und in
ihr der Schuldige — der Schuldige vor sich selbst. Und
diese Schuld grinst ihn an — höhnend, weinend, siegesfroh,
trauernd. — Oede ringsum, Oede im Herzen, Oede —

II.

Und wieder ein Schuldiger — schuldig vor den Men-
schen, schuldig vor den Gesetzen, schuldig vor Gott. Aber
schuldfrei vor sich selbst!

Da steht er kühn und frei, erhoben die glimmende Bombe,
um zu zerschmettern das Götzenbild.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 530, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-14_n0530.html)