Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 554
Die magische Vertiefung der modernen Naturwissenschaft (Du Prel, Dr. Carl)
Text
kann, so können auch diese wohl nur als Odvesikal angesehen werden.
So hat Charpignon einen für Magnetismus empfänglichen jungen Mann
in wenigen Minuten durch die elektrische Maschine in Schlaf gebracht;
er sagt, dass man durch die Voltasäule dasselbe erreichen kann, und
dass Ducros 1847 an die Pariser Akademie mittheilte, er habe zuerst
Thiere, dann ein junges Mädchen durch Elektricität anästhetisch ge-
macht, so dass ihr ein Backenzahn entfernt werden konnte.1) Allen
diesen Proceduren unter sich muss also etwas Gemeinschaftliches zu-
kommen, das wiederum in den Manipulationen des Magnetismus zu
finden ist. Der Somnambulismus, wie immer er erzeugt wird, ist eine
durch odische Einwirkungen und odische Veränderungen im Menschen
herbeigeführte Erscheinung. Da er sich ferner zunächst verbunden zeigt
mit einer Einbusse an Lebenskraft, so dass Anästhesie und der Ver-
lust des Bewusstseins eintritt, während zugleich — wie Rochas ge-
zeigt hat — odische Schichten aus dem Körper des Somnambulen
heraustreten und seine Empfindungsfähigkeit in diese
exterriorisirten Odschichten verlegt ist, so müssen wir
daraus schliessen, dass das Od der Träger der Lebenskraft und des
Bewusstseins ist, dass es also in der That die innerste Essenz des
Menschen entweder selbst oder doch auf das Innigste damit ver-
bunden ist. Das Innere des Menschen kann also ohne Vermittlung der
körperlichen Organe in Beziehung treten zu dem Innern der Natur-
dinge und anderer Menschen, ohne selbst durch die Entfernung ge-
hemmt zu sein, und das eben ist es, was wir Magie nennen.
Der Hauptgrund, warum die Wissenschaft von Mesmer und Reichen-
bach so wenig Notiz genommen hat, ist wohl der, dass der animalische
Magnetismus von jeher eine schwankende Stellung zwischen Physik
und Physiologie eingenommen hat, an keine von beiden recht ange-
knüpft werden konnte, daher von beiden Seiten vernachlässigt wurde.
Es war nachtheilig, dass die medicinische Anwendung des Magnetismus
seiner physikalischen Erforschung vorausging, die erst mit Reichenbach
ernstlich begann.
1) Charpignon: Etudes physiques sur le magnétisme animal. 27.
(Schluss folgt)
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 554, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-14_n0554.html)