Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 553

Die magische Vertiefung der modernen Naturwissenschaft (Du Prel, Dr. Carl)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 553

Text

VERTIEFUNG DER NATURWISSENSCHAFT. 553

wenn sie ihm in Narrenmasse eingebettet gezeigt würde, nicht mehr
bewundern. Für eine Weltseele genügt der Nachweis einer Alles durch-
dringenden und Alles verbindenden Potenz. Nur das ist eigentlicher
Monismus; ohne eine solche Weltseele hätte die Natur nur den
Monismus eines Steinhaufens. Wir müssen einsehen lernen, dass die
Theile der Natur in einer solidarischen Verbindung stehen, dass Alles
auf Alles wirkt, so wenig wir auch von diesem Kräftesystem, in das
wir eingegliedert sind, durch unsere groben Sinne erkennen. Schon
Mesmer’s Vorgänger im Mittelalter haben diese Weltseele Magnetismus
genannt, und so spricht z. B. Athanasius Kircher von einem Magne-
tismus der Gestirne, der Erde, der Mineralien, Pflanzen und Lebe-
wesen.1) Mesmer, trotz der Beschränkung seiner Untersuchungen, die
er sich als Arzt auferlegte, sah im animalischen Magnetismus nur die
Modification einer Urkraft und hat von dieser Erkenntniss den einen
Gebrauch gemacht, dass er den menschlichen Magnetiseur durch das
Baquet ersetzte, welches, mit unorganischen Substanzen gefüllt, beim
Patienten dieselben Erscheinungen hervorrufen kann wie der Magne-
tiseur. Auch Professor Kircher in dem von ihm herausgegebenen
Archiv sagt, dass in der Wechselwirkung der Metalle auf einander und
auf den Menschen noch Verhältnisse und Kräfte verborgen sind, die
unsere bisherige Physik noch nicht einmal ahnt, und die durch das
Baquet und das Pendel mit dem Agens des animalischen Magnetismus
in nähere Verbindung gebracht werden müssen. Der Magnetismus
sei eine allgemein verbreitete, nicht nur dem menschlichen Organismus
eigenthümliche Naturkraft, die, im Menschen durch festen Willen und
eigenthümliche Manipulationen erregt und verstärkt, auf die Somnam-
bulen einwirkt, auch in besonderen Substanzen, Metallen, Wasser, Kohle,
Eisenschlacke etc. durch eigenthümliche Verhältnisse und durch den
Einfluss des Menschen aus seinen Banden erlöst und zu freier Wirk-
samkeit erhoben, dieselben Erscheinungen und Reactionen wie der ani-
malische Magnetismus im menschlichen Körper hervorrufen kann.2) In der
That kann der Mensch nicht nur durch den Menschen in Somnambulismus
versetzt werden, sondern auch durch das Baquet, also durch den Chemismus
des Wassers und der Metalle. Es ist daher keineswegs unwahrscheinlich, dass
wir auf diesen Magnetismus der unorganischen Natur wieder zurückgreifen,
ja dass wir noch die Fixsterne als Baquete benützen werden, wenn
Spectralanalyse und Metallotherapie weitere Fortschritte machen. Man
hat das Baquet aufgegeben, weil die verschiedenartigsten Füllungen
desselben angewendet wurden, was zu beweisen schien, dass nicht der
Chemismus des Baquets wirke, sondern die Einbildung, Erwartung,
Autosuggestion. In der That aber beweist diese Verschiedenartigkeit
der Füllungen nur, dass nicht der Chemismus als solcher wirkt, sondern
als Odquelle. Wenn ferner da und dort berichtet wird, dass Somnam-
bulismus auch durch Elektricität und Galvanismus erzeugt werden


1) Kircher: magnetitum naturae regnum.

2) Archiv für thierischen Magnetismus, III., 2—31.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 14, S. 553, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-14_n0553.html)