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Vom Raimund-Theater.
Die kleinbürgerliche Atmosphäre
dieses Hauses bringt ihre eigen-
thümlichen Satiriker hervor. Zu
Costa, der mit dem Aufgebot seiner
ganzen Harmlosigkeit dem Uebel
des Lotteriespieles an den Leib
rückte, gesellt sich jetzt eine Frau
Baumberg, welche in »Trab-
Trab« die Ausartungen des Renn-
sports zu geisseln unternimmt. Einige
Recensenten begingen den verhäng-
nissvollen Irrthum, von dem frischen
Mangel an Theaterroutine, der sich
in dieser Posse offenbart, auf das
Vorhandensein einer ursprünglichen
Humorbegabung zu schliessen. Wir
kennen kein zweites Stück, das
eine so lebhaft bewegte, abwechs-
lungsreiche Langweile auf die Bühne
brächte. Wenn nun auch episodisti-
sches Beiwerk die Haupthandlung
manchmal zu zersplittern droht,
den rothen Faden der Albernheit
und Geschmacklosigkeit weiss die
Autorin doch immer wieder zu
finden. Nach dem dramatischeren
Durchfall der Marriot hat das
Raimund-Theater allsogleich die
Specialität der possenschreibenden
Frau aufgebracht, und so wird denn
mit den mühsam erworbenen Frauen-
rechten in der Wallgasse fleissig
Missbrauch getrieben. Bei der Pre-
mière von »Trab-Trab« suchte man
für Frau Baumberg allenthalben
Sympathien zu wecken, für die un-
glückliche Verfasserin, die der Tragik
ihres eigenen Lebens diese Gesangs-
posse abgewonnen habe. In den
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Zwischenacten wurde besprochen,
was die Frau schon Alles hätte
durchmachen müssen. Dies sicherte
den freundlichen Erfolg der Posse:
man lachte aus Mitleid. — Unter
den Darstellern war nur Herr Leo-
pold
Strassmayer bemerkens-
werth, der das Erbe unserer grossen
Vorstadtkomöden angetreten zu
haben scheint.
Die literarische Ernte der ver-
flossenen Raimund-Theater-Saison
ist recht dürftig. Hervorzuheben wäre
eventuell Alexander Engel’s stellen-
weise vertiefter Schwank »Das liebe
Geld«, für dessen Aufführung dem
Theater Anerkennung gebührt. In-
dess hat Herr Gettke noch zu
sehr unter den Folgen der früheren
Direction, unter dem unseligen
Nachlasse Müller-Guttenbrunn’s
zu leiden, als dass eine gerechte
Verurtheilung seines Gebahrens
schon nach diesem einen Spiel-
jahre möglich wäre. Vielleicht hat
der Umstand, dass ihn einige
Dummköpfe bereits im Vorjahre,
da die blosse Thatsache seiner
Elberfelder Herkunft ruchbar wurde,
gerichtet haben, uns diese Nach-
sicht auferlegt und den Mann sym-
pathisch gemacht. Jedenfalls zeigt
es sich vorläufig immer noch mehr,
dass Müller-Guttenbrunn kein
Theaterkundiger war, als dass Herr
Gettke einer ist. In der kommen-
den Spielzeit wird es an ihm sein,
seine Fähigkeiten, die bisher nur
gerüchtweise bekannt wurden, auch
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