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Willy Pastor, »Wana«. Ver-
lag kreisende Ringe. Leipzig 1897
(Max Spohr).
Ein seltsames und starkes Buch,
das mit tiefen, schmerzlichen Lauten,
die sich manchmal halbzerrissen
von der Seele lösen, ins Leben
herausgeschleudert ist, das sich
stolz und friedlich aus der Fremde,
aus ferner Zukunft zu uns wendet.
Mag man den Hypnotismus als
Wissenschaft oder als Humbug,
mit kühler Abwehr oder suchen-
dem Drängen gegenüberstehen,
Niemand kann Pastor’s Buch aus
der Hand legen ohne das Gefühl:
hier hat ein Mann gesprochen, der
seinen Stoff mit der ganzen Macht
seines Fühlens, mit der ganzen
Kraft seines Denkens erfasst und
behandelt hat.
Künstler und Psychopath reichen
sich die Hand und schaffen an
dem Werke. Mit grausamer Con-
sequenz secirt der Autor sein
Opfer, und wenn er zuletzt mit
dem zuckenden, verwüsteten Hirne
dasteht, wir zu ihm emporschauern
und fragen: Was willst du? sollen
wir glauben? — wohin? leite uns!
— da stösst er den letzten, grau-
samen Rest von sich und starrt
mit grossen, sinnenden Augen über
die Sturmfluth hin, die seinen
Helden zerschmettert hat, als sehe
er ferne am Horizont ein Morgen-
roth. Ein grosses prophetisches
»Wartet« tönt aus dem Buche und
erfasst uns mit seltsamem Verlangen.
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Doch wir sind Kinder unserer
Väter, unsere Gegenwart gehört
noch der Vergangenheit. Mit Mühe
und Noth haben wir das meta-
physische Netz gesprengt, wir
schaudern vor neuen Maschen —
aber wir schaudern, ohne zu prü-
fen, und wir verwerfen, ohne zu
begreifen. Noch ist uns der heiss-
ersehnte Heinrich Hardanger und
sein Kreis Geheimniss — noch grüsst
uns in »Wana« eine fremde Welt:
wir tappen herein, wir stehen
drin, wir starren, wir horchen,
wir gruseln und sind gefangen —
aber, aber — kaum schweigt der
Rattenfänger, so ziehen wir rasch
die Röcke über die Köpfe, stopfen
die Finger in die Ohren, und flugs
flattern wir hinaus in die Sonne,
in das Licht, in das Leben.
Wien. E. Kottanyi.
Joh. Dahlmann, Briefe
eines jungen Deutschen an
eine Jüdin. Verein für deut-
sches Schriftthum. Berlin 1897.
Herr Dahlmann hatte das grosse
Unglück, in seinen Entwicklungs-
jahren den Nietzsche, vornehmlich
Zarathustra, der jungen, unreifen
Leuten von Staatswegen verboten
werden sollte, in die Hand zu be-
kommen. Dieser Umstand und der
Rausch der modernen Bewegung,
der in die herkömmlichsten Ge-
danken und banalsten Gefühle
Individualität und Geheimniss zau-
bert, hat den Mann verführt, ein
Buch zu schreiben. Man wäre ver-
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