|
diese Mittheilung nicht erstaunlich,
obwohl gerade Maler sonst von
Büchern über Kunst gewöhnlich
doch nichts wissen wollen, sie nicht
ansehen und es lächerlich finden,
Werke über etwas zu schreiben,
was allein durch Anschauung
empfunden und begriffen werden
kann
Alfred Neumann.
Gespenster der Erinne-
Rung. Von Ottilie Siebenlist.
Zürich und Leipzig. Verlag von
»Stern’s literarischem Bulletin der
Schweiz«, 1897.
Fräulein Siebenlist, die bisher
zahlreiche Proben ihrer hervor-
ragenden lyrischen Begabung ge-
liefert, offenbart uns in den »Ge-
spenstern der Erinnerung« eine
neue Seite ihres Könnens. Wir
blättern in einer Sammlung kleiner,
scheinbar flüchtig hingeworfener
novellistischer Skizzen, die trotz
ihrer schlichten, bescheidenen Ge-
wandung einen ernsten, tiefinner-
lichen Eindruck machen. Gleich
einem rothen Faden durchziehen
die »Gespenster der Erinnerung«
die Geschicke der handelnden Per-
sonen. Mit der feinen psychologi-
schen Gabe, die der Verfasserin
eigen ist, versteht sie es, uns
gleich in die waltenden Ereignisse
einzuführen. Wir stehen mitten in
der Handlung; wir verfolgen ihre
Entstehung, Entwicklung und Lö-
sung. Schmerzgeprüfte, leidende
Naturen, wahre Kinder unserer
kranken, schicksalsschwangeren Zeit,
lernen wir kennen. Arme, unglück-
liche Menschen sind es. Urplötz-
lich kommen die bösen Schatten
der Erinnerung über sie; gleich
Tagedieben schleichen sich die
finsteren Gespenster in die fried-
liche Ruhe eines vereinzelten, sorg-
losen Augenblickes. Da leben die
|
wunden Momente der Vergangen-
heit wieder auf, das zerstörte
Glück und die alten, gekreuzten
Wünsche. Es sind Rachegöttinen,
die sich an die Sohle des Un-
glücklichen heften, seine Wege ver-
folgen, sein Schicksal bestimmen.
Die »Gespenster der Erinnerung«
sind ein Buch von der reinen und
schuldbewussten, der glücklosen,
zerstörten und unerwiderten Liebe.
Wir blicken in die Psyche des
leidenden, liebenden Weibes; sein
Innenleben wird uns kund, sein
Schicksal weckt unser Mitgefühl.
Die Novellen: »Verfrühtes Bekennt-
niss« und »Gespenster der Erinne-
rung« möcht’ ich als die schönsten
der Sammlung bezeichnen. Das
echte dramatische Leben, die Pla-
stik der Darstellung, der feine, vor-
nehme Styl, dem es in seiner
Schlichtheit keineswegs an poeti-
scher Wärme und Verve gebricht,
verheissen ein Talent, dessen Ent-
wicklung wir mit aufrichtigem Inter-
esse entgegensehen.
—lg.
Verirrte Vögel. Skizzen
von Per Hallström. Autorisirte
Uebersetzung aus dem Schwedi-
schen von Francis Maro. Verlag
von Eduard Moos. Zürich, Erfurt,
Leipzig. 1897.
Per Hallström schildert uns in
seinen Skizzen jene Existenzen,
welche theils durch eigene Schuld,
theils durch die Härte ihres un-
verdient schweren Schicksals zag-
haft, ängstlich, verschüchtert im
Leben stehen — verirrte Vögel
Die Zeichnung der Charaktere ist
wie bei den meisten nordischen
Schriftstellern von ausserordent-
licher Feinheit: ob uns Hallström
den heruntergekommenen Arbeiter
darstellt, dem der nagende Hunger
den letzten Rest von Stolz ge-
|