Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 17, S. 650

Quintin Messis (Kürnberger, Ferdinand)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 17, S. 650

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650 KÜRNBERGER.

wie ein Räuber über Nacht zwingen wolltet. Sie soll Euch gross, reich,
mächtig, weltberühmt machen, sie soll Euch tausendfältigen Ersatz für
Eure bittere Jugend geben, sie soll Euch — o, was soll sie nicht Alles!
Ich kenne die ganze Himmelsstürmerei dieser Wünsche und Hoffnungen,
womit ein lebhaftes Herz sich Genugthuung gibt für eine genusslose
Gegenwart. Messis, ungeheuer ist Euer Irrthum. Wenn Ihr ein deutscher
Künstler seid und unter Deutschen Euer Glück machen wollt, so rechnet
eher auf alles Andere, als auf die Kunst. Nicht dass sie es wäre, die
Euch Geld und Gut erwürbe — umgekehrt! beides müsst Ihr schon
haben, wenn Eure Kunst hervorleuchten soll. Andere Nationen, der
Franzose, der Welsche, die werden Euch mit Lorbeeren bedecken, und
wenn Ihr in einer Gosse liegt. Aber der Deutsche lobt und zahlt Euch
nur, wenn Ihr ein weidlicher Bürger seid, einen stattlichen Hausstand
aufzuweisen habt; das erwirbt Eurer Kunst Achtung und Werth. Und
heisst mir das ja nicht spiessbürgerlich, wie es die afterklugen Fremden
thun in ihrem Vorwitz. Es liegt auch hier ein schöner, richtiger Sinn
darin wie im ganzen deutschen Charakter. Wenn Hans Habenichts die
Kunst treibt, so wird sie Erwerb in seinen Händen, er thut es um
schnöden Gewinn, nichts überzeugt mich, dass er kein Judas ist und
sie für Silber und Gold nicht verriethe. Wie viele von denen, die in
der Welt ihrem Geschäfte nachlaufen, denken ja bei sich: Hätt’ ich so
und so viel, hing’ ich den ganzen Plunder auf den Nagel. Seht, das
ist kein Beruf, den man mit Vorbehalt treibt. Wenn Ihr aber frei und
rund auf Eurem Besitz dasteht, nichts braucht, nichts bedürft, dann
zeigt es sich, dass Ihr von ihrer Herrlichkeit durchdrungen und befeuert
seid. Ja, mein junger Freund! Wollt Ihr Euer Talent auf dem kürzesten
Wege zu Ehren bringen, nichts führt Euch so schnell und erwünscht
zum Ziele als der Glorienschein bürgerlicher Reputation. Diesen Satz
geb’ ich Euch als das Elixir meiner Schule, und wägt ihn nach seinem
ganzen Gewichte, eh’ Ihr Euch unwiderruflich entschliesst.

Messis. Mein Vater ist nicht todt, ich habe seine Stimme wieder-
gehört! So kann nur ein Vater mit seinem Sohne sprechen! Lohn’ Euch
Gott Euer Herz, edler Mann, ich werd’ es aller Orten verkündigen:
Memling in Köln ist der beste Mensch, wie er der grösste Künstler ist!

Memling. Und von dem Erfolg meiner Worte sagt Ihr mir nichts?
— Ihr schweigt, Messis?

Messis. Meister! Nach all der Lieb’ und Treu’, die Ihr mir heute
zeigt, könnt ich sterben für Euch, so mir Gott helfe! Soll ich aber leben,
so muss ich es auf meine Weise. Suche mir das Glück in einer andern
Form — ich kann zum zweitenmal nicht lieben!

Memling. Nun denn, so höret noch dieses: Ihr sähet und fühltet
bisher nur Euch allein — ist sie nicht auch eines Gedankens werth?
Ihr könnt, ein Mann, zum zweitenmal nicht lieben; und wird es Dorothea
können? Irrt Euch über Euch selbst und die Natur, die den Trieb der
Geselligkeit so leicht nicht aufgibt, in der Menschenbrust; irrt Euch
über Euer eignes Glück, aber bedächtig seid, wenn es ein fremdes gilt!

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 17, S. 650, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-17_n0650.html)