Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 18, S. 695
Die Goncourts und der Kunstgedanke Die Menschen (Gaultier, Jules deBodman, Emanuel von)
Text
Inbrunst — eben weil wir Vorbilder zur Nachahmung brauchen —
vielleicht unsere Sehnsucht wachrufen, und über die genialen, uns
hypnotisirenden Werke hinaus wird unsere Begeisterung, sich an das
Princip anlehnend, das sie zeugte, in Lenzespracht die versiegte Quelle
unserer Thaten zu neuem Leben erwecken.
DIE MENSCHEN.
Wir leben an einander stolz dahin,
So wie die Bäume in dem grünen Garten.
Tagtäglich kommt die alte Gärtnerin,
Mit Eimern hellen Wassers sie zu warten.
Es steht für sich ein jeder Tag für Tag,
Sieht von den anderen nur Laub und Rinde,
Nicht was im Innern sie erregen mag,
Und schüttelt hoch sein Haupt im weiten Winde.
Bisweilen aber kommt die alte Frau,
Dem Nachbar einen Ast entzwei zu sägen.
Dann schauert jeder; jeder sieht genau,
Sieht eine andre Seele sich bewegen.
München. Emanuel v. Bodman.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 18, S. 695, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-18_n0695.html)