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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 19, S. 729

Text

FRAGEN. 729

Sprach der Himmel ohne Gnaden:
Mit Recht hat dich der Freund verraten.
Freundschaft ist zärtliches Betrügen,
Kopfnicken und Rückenbiegen.
Umklammert deine Faust das Schwert,
Freue dich des Verrätergerichts!
Morden ist, was dich der Freund gelehrt,
Und sonst nichts.

Sprach die lange Einsamkeit:
Frage nicht, was Tod und Zeit!
Tod bist du, und Zeit bist du!
Rast und Flucht und Kampf und Ruh’.
Aus dem Knäuel der Wirklichkeiten
Wirst du am Tage des grossen Verzichts
Hin vor meine Füsse gleiten,
Und sonst nichts.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 19, S. 729, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-19_n0729.html)