|
Sinn dieses Stückes. Soll die Idee
jedoch klar, consequent zum Durch-
bruch kommen, so darf der Mann,
um den der Zwist entbrennt, nicht
zwischen den Frauen erliegen,
nicht müde fallen, er muss viel-
mehr, so grausam und brutal die
Lösung klingt, der Siegerin als
Preis zu eigen werden — sonst
hat sie eben nicht gesiegt. An
dieser harten Consequenz nun hat
es Brociner gemangelt; und wenn
das Publicum den vierten Act, in
dem der Held zerschmettert von
der Bühne wankt, bei weitem nicht
so warm begrüsste wie die voran-
gegangenen, so hat das seinen
eigentlichsten Grund im instinctiven
Percipiren dieses Mancos Sonst
ist das Werk mit wirklich feiner
Hand gemeisselt, Effect steht sorg-
sam an Effect gereiht, den Dialog
durchweht ununterbrochen fast der
Purpurhauch des Lebens. Es ist ein
gutes und ein starkes Stück, das
echten, vollen Eindruck übt. Be-
denkt man ausserdem, dass alle
Spieler hier dem Dichter schadeten,
bestimmt nicht nützten, dass sich
Frau Lanius zu derb und Fräulein
Wachner gar zu weich gegeben,
so wird man zweifellos behaupten
dürfen, dass Marco Brociner viel-
leicht kein einwandfreies, doch
ganz gewiss ein wirksames, ein
theatralisches Drama geschaffen
habe.
C. L.
Lore. Plauderei in einem Act.
Die Erziehung zur Ehe. Sa-
tyre in drei Arten. Von Otto Erich
Hartleben.
Der Pedant, dem ein abge-
rissener Knopf in solchem Grad
Symbol der Schwäche und des
Leichtsinns scheint, dass er darum
von einem hübschen, guten, ja
|
willigen Mädchen unschwer lässt,
ist eine nur in Preussen, diesem
Lande verknöcherter Bureaukratie,
erdenkliche Gestalt. Bei uns in
Oesterreich ist sie — als Beispiel
eines Typus wenigstens — nicht
möglich. Nun aber wirken, theater-
technisch gesprochen, bekanntlich
auf die Masse nur Vertreter dieser
Masse, Figuren, die sie gründlich
kennt. Das feine, gute Stück der
»Lore« wird deshalb trotz der
zarten Kunst der Spieler bei uns
in Wien kaum lange athmen. —
»Die Erziehung zur Ehe«
dagegen, die einen grossen Zug
ins Allgemeine hat, und aus der
Enge preussischer Verhältnisse mit
vollen Segeln in die Weite strebt,
ist tieferen Interesses, tieferer
Antheilnahme auch hier in Wien
für viele Zeit gewiss. Man hat
dem Stücke vorgeworfen, dass es
im zweiten Act den Ernst ge-
schmacklos in das Heitre fügt,
doch man vergass dabei, dass es
dem Autor nicht um Weckung
guter Laune ging, sondern um
streng satyrische Tendenzen. Mitten
in die Heiterkeit der fröhlichen
Scenen klingt plötzlich gell ein
schriller, kurzer Schrei der Angst
und mahnt die Hörer brüsk daran,
dass aller Scherz nur Mittel sei,
nicht Ende, dass hier kein flaches
Lustspiel sich begebe, sondern ein
ernstgemeintes, ernst zu nehmendes
Gesellschaftsstück mit scharfen
socialen Wünschen. Allein um
diesen tiefern Sinn zu treffen,
dazu bedarf es einer grossen,
starken, gewitterhaften Schauspiel-
kunst, die wuchtig emporstürmt
und plötzlich versinkt, wie ein
Blitz, der verschwindet, ein Donner,
der dunkel vergrollt. Dass Herr
Amon leider nicht der Träger
|