Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 869
Text
Theuerster, den Siegeshymnus will ich singen in einem
Strome stürmender Accorde, die feinsten Wohlgerüche und
duftende Salben will ich auf deinen lächelnden Namen giessen,
in der Leuchte deiner Erinnerung will ich brennen, eine
ungestüme, aufgeloderte Flamme; auf dem Beete deiner
Seele will ich in Ohnmacht sinken, eine feuchte, in Blut ge-
tauchte Blüthe.
Im Feuer deiner Sehnsucht will ich verbrennen die
bitteren Enttäuschungen des Lebens. In deinem niederrieselnden
Blüthenregen will ich die Langeweile meiner Tage ersticken,
in dein Inneres will ich werfen den grünen Schimmer der
Ahnung meiner Seele, der polarisirend sich bricht aus den
Atmosphären des Unbekannten.
Ich will mich in den Farben des Prismas aufpeitschen
in deiner Seele, will in deinem Blicke zittern, krank nach
Licht in silberner Sehnsucht und verzehrt von deiner Liebe;
den Siegeshymnus will ich singen in einem Strome stürmender
Accorde und in glühenden Rhythmen meines Liedes dir
sagen: Freund — Bruder!
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 869, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-23_n0869.html)