Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 870

Arnold Böcklin (Kromer, Heinrich Ernst)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 870

Text

ARNOLD BÖCKLIN.
(Zu seinem 70. Geburtstag, 16. October 1897.)
Von H. E. Kromer (Konstanz).

Böcklin steht heute auf einer Stufe des verdienten Ruhmes und
der Bewunderung die zu überschreiten Zudringlichkeit wäre und von
ihm selber wohl ebenso mit Verachtung behandelt würde, wie einst
die Verkennung und Anfeindung, unter denen er in seiner ersten
Schaffenszeit zu leiden hatte. Er ist heute der Mann wie früher; seine
Seelengrösse und Bescheidenheit so echt, wie vordem, als er die ersten
Schritte zu seiner Abwegigkeit machte, sein tief gegründetes Selbst-
bewußtsein und seine Selbstsicherheit. Stets hat er an der richtigen
Stelle Mass gehalten: in der Verachtung seiner Feinde wie in der
stillen Belächelung seiner Vergötterer und Vergötzer; das Unmass lag
immer auf der Seite derer, die es gut oder böse mit ihm meinten:
des Publicums. Ihn sachlich zu beurtheilen, ist darum so schwer, wie
bei allen Grossen; ihr Geist, ihr Einfluss, ihre Macht ziehen einen
Bannkreis um uns, den man kaum überblicken, geschweige denn über-
schreiten kann; man kann beleuchten, feststellen; man wird versuchen,
richtig zu stellen; damit ist am Ende genug gethan und man bescheidet
sich damit.

Basel, die Vaterstadt Böcklin’s, hat ihm zu Ehren eine Aus-
stellung seiner Bilder veranstaltet, die unter neunzig Stück etwa fünfzig
Meisterwerke zeigt: eine ebenso bewunderns- wie dankenswerthe Sache,
bedenkt man, wo überall in allen Windrichtungen die sorgsam ge-
hüteten Bilder des Künstlers zusammenzusuchen waren. Sie soll ein
Bild seiner Entwicklung und seiner Bedeutung geben. Der Bedeutung,
ja; um ein richtiges von seiner Entwicklung zu geben, dafür fehlen,
meines Erachtens, viele Stücke, besonders Landschaftliches, aus seinen
Uebergangsjahren. Träte man z. B. in der Ausstellung aus dem dritten
Saal, dem der Jugendarbeiten, in den mittleren, so fände man es ein-
fach unglaublich, ja fast unmöglich, dass ein und derselbe Mann so
Verschiedenes schaffen konnte: Gequälte, farblose Porträts, dilettantische,
geringwerthige Landschaften, kaum Eine freiere Handzeichnung, die
schon die Klaue zeigte. (Was bedeutet u. A. das Porträt Lenbach’s
aus Böcklin’s 33. Jahr; wie Grosses dagegen aus seinem 31. schon
das Gemälde: »Jagd der Diana«!) Einen Uebergang könnte hier in
Etwas höchstens der frei und gross aufgefasste, einfach gemalte Kopf
eines Römers machen; aber selbst der erste Saal, der eigentlich die
Brücke bilden soll, zeigt schon zu reife Werke, um die Autorschaft
eines Künstlers für die Bilder jenes und dieses Saales glaubhaft er-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 870, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-23_n0870.html)