Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 932

Henry George (Zenker, Ernst Victor)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 932

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932 ZENKER.

Londons und von da in das Coldbath-fields-Zuchthaus führte, wohin
ihn seine revolutionären Gesinnungen und Schriften zur Zeit, als die
Habeas corpus Act suspendirt war, brachten. »Spence’s Plan,« den er
etwa um dieselbe Zeit wie Payne »Rights of Men« selbst als Flugblatt
veröffentlichte, enthält die Hauptzüge der George’schen Lehre bereits
in der wünschenswertesten Kürze und Klarheit, so dass es wohl nicht
ohne historisches Interesse ist, wenigstens die wichtigste Stelle aus
diesem nur wenig bekannten Libell hier wiederzugeben. Spence sagt:

»Man nehme an, dass die gesammte Einwohnerschaft eines Landes
nach reiflicher Ueberlegung zu dem Schlüsse gelangt, dass Jedermann
ein gleiches Eigenthumsrecht an dem Grund und Boden jener Gegend
hat, die er bewohnt; die Leute beschliessen deshalb, da sie in Gemein-
schaft leben, so sollte auch ein Jeglicher die Früchte ernten, welche
ihm nach seinen natürlichen Rechten zukommen. Es wird deshalb ein
Tag bestimmt, an welchem die Einwohner jeder Gemeinde zusammen-
kommen, um ihre seit langer Zeit verlorenen Rechte wieder geltend
zu machen und sich zu Corporationen zu vereinigen; so also wird eine
jede Gemeinde eine Corporation, und alle ihre Einwohner werden Mit-
glieder derselben oder Bürger. Das Land mit Allem, was dazu gehört,
wird in jeder Gemeinde zum Eigenthum der Corporation erklärt mit
eben denselben Befugnissen, das Ganze oder einen Theil zu verwalten,
zu verbessern oder umzugestalten, wie sie bisher nur ein Gutsbesitzer
über sein Land oder Haus besass; nur einzig die Macht, auch nur das
kleinste Stückchen in irgend einer Weise der Gemeinde, jetzt oder
später einmal, zu entfremden, ist Niemandem gegeben. So gibt es in
Hinkunft keinen anderen Landbau im ganzen Reich mehr als die Ge-
meinden, und jede von ihnen ist souveräner Herr über ihre Ländereien.
Es gibt keine Steuern welcher Art immer für Inländer und Ausländer
ausser der Rente, welche jede Person der Gemeinde abliefert, je nach
der Quantität, Qualität und den Verhältnissen des Grundes, der Ge-
bäude u. s. w., die er occupirt hat. Regierungskosten, Armenpflege,
Strassenbauten u. dgl., Alles wird bestritten durch die Gemeinden aus
der Rente, wogegen alle Waaren, Gewerbe, Handelsgeschäfte oder
sonstigen Unternehmungen vollkommen steuerfrei sind; zollfrei soll sein,
was immer an Ort und Stelle nicht producirt werden kann; etwas ist
entweder ganz verboten, wie Diebstahl und Mord, oder jedem ganz
frei gegeben, ohne Steuer und Zoll. Die Renten weiden trotz alledem,
was mit ihnen getrieben wird, immer noch genau so hoch bleiben, wie
sie früher waren, wo sie bloss zum Unterhalt einiger übermüthiger und
undankbarer Landlords dienten.«

Etwa um die Mitte unseres Jahrhunderts sprachen drei grosse,
wenn auch untereinander grundverschiedene Vertreter der socialen
Wissenschaften der Nationalisirung von Grund und Boden bei Auf-
rechterhaltung der individuellen Wirthschaft das Wort: John Mill Stuart,
Pierre Joseph Proudhon und Herbert Spencer, gewiss eine merkwürdige
Gesellschaft John Mill schlug als Uebergangsmodus eine gerechte, ja
sogar freigebige Schätzung von Grund und Boden vor und verlangte,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 932, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-24_n0932.html)