Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 936

Zwischen den Völkern (Dix, Arthur)

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 936

Text

ZWISCHEN DEN VÖLKERN.
Von Arthur Dix.

(Schluss.)

Und dann kommen die Entdeckungen und Erfindungen, es kommt
das Unternehmerthum und der capitalistische Grosshandel. Der wirthschaft-
liche Verkehr zwischen den Völkern dehnt sich in ungeahnter Weise
aus. Es kommt der Mercantilismus mit seinem stark ausgeprägten wirth-
schaftlichen Charakter. Das Colonialwesen nimmt einen mächtigen Auf-
schwung. Der wirthschaftliche Kampf zwischen den Völkern, der Kampf-
zoll, beginnt eine grossartige Rolle zu spielen. Aber während die
ausserordentliche, bis dahin völlig ungekannte Unterstützung des Wirth-
schafts- und Erwerbslebens durch den Staat nur ein Mittel zur Er-
langung von Geldern für die Kriegführung und militärische Ueberlegen-
heit war, vollzog sich in der Periode der Physiokratie und der Folge-
zeit der grosse endgiltige Umschwung, durch den das Wirthschaftsleben
in die erste Reihe und der Krieg schliesslich ins Hintertreffen rückte.

»Die Heere und die Diplomatie der Regierungen wurden in den
Dienst des Handelsverkehres gestellt. Die Kriege, welche einen grossen
Theil des XVIII. Jahrhunderts ausfüllten, waren in der Hauptsache
durch Handelsinteressen hervorgerufen, und entstanden aus dem Be-
streben, die in der vorhergehenden Phase gegründeten colonialen Nieder-
lassungen zu halten oder zu erweitern, oder auch die wetteifernde
Nation von den mit dem Besitze solcher Niederlassungen verknüpften
wirthschaftlichen Vortheilen auszuschliessen. Diese veränderte Haltung
bedeutete, trotzdem sie bedauerlicherweise das Entstehen von Feindselig-
keiten und Eifersüchteleien unter den Völkern begünstigte, einen that-
sächlichen und wichtigen Fortschritt: sie wies hin auf die wirthschaft-
liche Thätigkeit, als die einzige dauernde, praktische Bestimmung der
neuzeitlichen Gesellschaft.«1)

Smith setzte vollends die Arbeit auf den Thron, und die grosse
Revolution folgte ihm. Die staatliche Organisation ist nicht mehr eine
Organisation für den Krieg, sondern eine Organisation für die Wirth-
schaft, die ihre wirthschaftlichen Interessen im Nothfall durch den
Krieg wahren muss. Der Friede bildet die Regel, und die Staatshäupter
verfehlen nicht, jederzeit ihre Friedensliebe zu betonen. Die Kriege mit
den Waffen sind vermindert und gemildert — — um so heftiger toben
die Wirthschaftskriege, der ununterbrochene wirthschaftliche Kampf


1) Ingram-Roschlan, S. 73—74.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 24, S. 936, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-24_n0936.html)