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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 4, S. 154

Text

ZUR BURGTHEATERKRISE.
Von F. Schik (Wien).

Der verschwindende Herr Burckhard lässt jetzt aussprengen, dass
die böse Intendanz, die widerhaarige Hoftheatercensur und die heim-
tückischen Schauspielercliquen ihn zwangen, durch sieben Jahre ein
schlechter Director zu sein. Wer aber so lange fruchtlos gegen diese
feindlichen Mächte ankämpft, hat das Recht verwirkt, seine Unfähig-
keit derart zu motiviren. Wäre er nach ein, zwei Jahren zurückgetreten,
hätte man ihm Glauben schenken können. Nun, wo er sich noch
immer an seinen Posten klammert, gibt er ohne Scheu zu erkennen,
dass es ihm mehr um seine Person als um die Kunst zu thun ist.
Herr Burckhard calculirt: Unter den obwaltenden Verhältnissen müsste
jeder Andere gleich mir lahmgelegt sein. Wenn also schon Einer ein
schlechter Burgtheaterdirector sein muss, so will ich es bleiben. In
der That ein übles Beispiel für alternde Schauspieler, welche ihre
jugendlichen Partien abgeben sollen, wenn sie ihren Director selbst an
einer schlecht gespielten Rolle sich festklammern sehen.

Die plötzlich acut gewordene Personenfrage lässt sich deshalb
nicht schnell lösen, weil man nach Beiseiteschiebung des Herrn Burck-
hard nun unmittelbar der Verworrenheit gegenübersteht, die er an-
gerichtet hat. Die mangelnde Fähigkeit, innere Fonds zu entfalten, die
unklare Gährung, die in seinem Kopfe herrschte, übertrug er auf die
ihm unterstehende Künstlerschaar und desorganisirte die Keime der
Weiterentwicklung, die etwa in derselben steckten. Seine künstlerische
Persönlichkeit ist viel zu unbedeutend, als dass man sich versucht
fühlte, seinen Abgang lange zu glossiren.

Es handelt sich jetzt nicht darum, unhaltbare Zustände ver-
längern zu wollen, indem man sie an einen neuen beruhigenden
Namen knüpft; es müssen vielmehr in einheitlicher Weise die Gesichts-
punkte festgestellt werden, nach denen das Hofburgtheater fortab
zu leiten ist. Wir haben die Burgtheaterzustände schon vor län-
gerer Zeit wiederholt zum Gegenstand unserer Betrachtungen gemacht
und müssen uns daher darauf beschränken, Einzelnes neuerlich hervor-
zuheben.

Vor Allem wird der Styllosigkeit ein Ende gemacht werden
müssen, die jetzt alle Darbietungen im Burgtheater zerstört. Die
Schaffung eines auf der Höhe moderner Schauspielkunst stehenden

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 4, S. 154, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-04_n0154.html)