Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 227

Ein Märtyrer der Literatur (Steinbach, Josef)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 227

Text

EIN MÄRTYRER DER LITERATUR. 227

sorgenfreieren Existenz emporleiten würde. Die bis dahin erschienenen
Petöfi-Uebersetzungen nämlich boten, zum Theile wegen ihrer sprachlich
krückenhaften Unbeholfenheit und erschreckenden Poesielosigkeit, zum
Theile wegen ihrer allzu ärmlichen und nicht eben glücklichen Auswahl,
ein durchaus unzutreffendes Bild von der phänomenalen Gedankenarbeit
und dem künstlerischen Formenreichthum des so jung dahingeschiedenen,
ungemein vielseitigen Dichterfürsten, und Aigner wollte auf Grund der
kunstvollen Proben Farkas’scher Nachdichtungen endlich einmal den
ganzen Petöfi mit allen seinen Geistesfacetten als dichterische Einheit
vor das Forum der deutschen Literatur bringen. Er hatte daher Farkas
mit der Umsichschaarung geeigneter Kräfte betraut und ihn selbst als
Redacteur des weitläufigen Werkes zu sich nach der Metropole berufen.
Einen seiner Verbündeten glaubte nun Farkas in mir suchen zu sollen.

In überschäumendem Glücksgefühl über die gnädige Wendung
seines Schicksals hatte sich Farkas’ Geist mit Schwingen umgürtet. Er
hat den ersten Band des auf vier bis fünf Bände veranschlagten Werkes,
die »Perlen der Liebe« in unglaublich kurzer Zeit fast ganz allein zu-
stande gebracht. Eine Riesenarbeit, die nur in der wohligen Atmo-
sphäre gesteigerter Daseinsfreude geleistet werden kann. Thatsächlich
waren die paar Monate, die er im geistigen und materiellen Bereich
seines Verlegermäcens zugebracht, die einzigen und von ihm stets
dankbaren Herzens gepriesenen Honigmonde seines kummervollen
Lebens. Sie sollten ihm nicht lange vorhalten. Aigner, der patriotische
Optimist, sah sich nach dem Erscheinen schon des ersten Bandes in
seinen an das grosse, kostspielige Unternehmen geknüpften Hoffnungen
bitter getäuscht und musste die Kosten jäh herabschrauben. Unter Bei-
behalt seiner allerdings minder entlohnten Redacteurschaft, bat er Farkas,
sich um den ergänzenden Lebensunterhalt anderweitig umzusehen und
die fernere Redaction eben von seiner Unterkunftsstätte aus zu leiten.
Farkas musste also wieder zum Wanderstabe greifen. Wie gerne er
auf dem Lande weilte, diesmal empfand er die Verbannung als Un-
gemach. Verstimmt kehrte er wieder ins alte Joch seiner Qua-Schul-
meisterstube zurück und lehrte die hoffnungsvolle Jugend herrschaftlicher
Einsiedeleien an Conjugation und Declination zur Cultur emporklettern.
So arbeitete er an dem zweiten Bande, dem »Buch des Lebens«, mit
kleinmüthig gewordener Feder und meiner ihm nun um so erwünschteren
Beihilfe weiter. Auch dieser Band ward fertiggestellt und in die Welt
gesandt. Nun sollte der dritte beginnen. Allein Aigner’s Kräfte erlahmten
immer mehr und gingen schliesslich im Sumpfe der Gleichgiltigkeit des
Publicums ganz unter. Schweren Herzens kündigte er Farkas das bereits
stark reducirte Verhältniss vollständig, und das Werk blieb ein Torso.
Rauschend fielen die letzten Blüthenträume Farkas’ zu Boden, und der
vor Kurzem noch so volle Strom seiner Hoffnungen versickerte in der
dürren Steppe eines nun doppelt schmerzlich empfundenen Frohndienstes.
Er litt unsäglich. Es bot ihm wenig Genugthuung, dass es ihm gelungen
war, mit einer selbstständigen Sammlung Petöfi’scher Gedichte in Meyer’s
Volksbücher aufgenommen zu werden. Auch Paul Heyse’s im Brusttone

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 227, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-06_n0227.html)