Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 10, S. 381
Text
gibt es Fortschritte. Ja, Mädchen, ungestraft darfst Du selbst
mit einem Dichter wandeln!«
Das Mädchen nahm die Hand der geliebten Tante und
legte sie an ihre bleiche Stirne. Die Tante dachte: »Siehe!
Sendet ein Schifflein auf die See, verdirbt es! Haltet es am
Strand, verfault es. Hélas — — —.«
Das junge Mädchen sagte: »Tante, was hast Du — — —?!«
Dann dachte sie: »Ich werde mich auf die englische
Lehrerinnen-Prüfung vorbereiten. Man muss Programm
machen. Von 8—2 Englisch. Dann Diner. Dann eine Stunde
Ruhepause zur Verdauung. Dann Englisch bis 6. Dann
Spaziergang. Dann Souper. Dann »Macaulay, biographical
essays.« Dann zu Bette. Dann — — — eine Seite aus meinem
Dichter. Nein, keine Seite aus meinem Dichter. Uebrigens,
ich kann ihn ja ins Englische übersetzen. Eine gute Uebung
wird es sein. In einem Jahre hoffentlich — — —. Man muss
arbeiten — — —.«
»Isabella — — —« sagte die Tante noch sanfter.
»Isabella — — —« sagte die Tante zum drittenmale und
nahm das weinende Kind in ihre Arme.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 10, S. 381, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-10_n0381.html)