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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 21, S. 788

Text

GEDICHTE VON HUGO VON HOFMANNSTHAL.
(Wien.) VOM SCHIFF AUS.

Ihr Morgen, da an meines Bettes Rand
das Licht aus hellen Muschelwolken flog
und leuchtend, den ich später niemals fand,
der Felsenpfad schön in die Weite bog,

ihr Mittagstunden! grosser dunkler Baum,
wo seichtes Wachen und ein seichter Schlaf
mich von mir selber stahl, dass an mein Ohr
nie der versteckten Götter Anhauch traf!

ihr Abende, wo ich geneigt vom Strand
Gespräche suchte, und sich Schultern nicht
aus Feuchten triefend hoben, und mein Hauch
verklang im Streit der Schatten mit dem Licht:

Der geht jetzt fort, der aus des Lebens Hand
hier keinen Schmerz empfangen und kein Glück:
und lässt auch hier, weil er nicht anders kann,
von seiner Seele einen Theil zurück.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 21, S. 788, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-21_n0788.html)