Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 910

Die Mondscheinsonate (Wolff, Ludwig)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 910

Text

910 WOLFF.

Rosa (affectiert). Ach, ganz einfach.

Stransky. So ein Zimmer am Winterabend, gut geheizt, sehen
Sie, mit einem gedeckten Tisch, ist wunderschön. Man sitzt ganz still
da und wartet —

Rosa (im gleichen Ton). — Auf das Nachtmahl.

Stransky. O nein, auf irgend etwas Unwahrscheinliches,
Märchenhaftes.

Rosa. Sie werden ja ganz poetisch.

Stransky. Und draussen muss dazu ein starker Wind heulen
und Schnee auf den Dächern liegen. Heute ist es eigentlich etwas zu
warm; dann ist es wunderschön.

Rosa (sentimental). Ja, dann ist es wunderschön.

Stransky. An solchen Abenden ist es gut, zu zweien zu sein.

Rosa. O, Herr Stransky.

Stransky. Ich sitze dann bei meiner Mama —

Rosa (abgekühlt). So?

Stransky. Ja, ja. Pause.

Rosa (plötzlich). Lieben Sie die Musik?

Stransky. O, leidenschaftlich. Es gibt Stücke, die mich bis zu
Thränen rühren.

Rosa. Aber Sie spielen kein Instrument?

Stransky. Leider nicht. Aber möchten Sie nicht irgend etwas
spielen?

Rosa (erhebt sich). O gern. Was wünschen Sie?

Stransky. Etwas Classisches, wenn ich bitten darf.

Rosa (setzt sich zum Clavier und beginnt die Mondscheinsonate zu
spielen. Stransky lauscht sehr gerührt).

Rosa (hört bald auf). Ich bin heut’ nicht recht in der Stimmung.

Stransky. Das war sehr schön, was Sie da gespielt haben.
Was war es denn?

Rosa. Der Beginn der Mondscheinsonate.

Stransky. Die ist von Wagner?

Rosa. Nein, von Beethoven.

Stransky. So, Beethoven. Ich dachte Wagner, weil Sie so für
den schwärmen.

Rosa (geduldig). Nein, das war Beethoven.

Stransky. So, Beethoven. Wissen Sie, Fräulein Rosa, wie ich
Sie da so beim Clavier habe sitzen gesehen, da ist es mir erst recht
klar geworden, dass ich Sie sehr lieb habe.

Rosa. O, Herr Stransky.

Stransky (entschlossen). Wollen Sie die meine werden, Fräulein Rosa?

Rosa. O, Armin! (Umarmung).

7. Scene.

Frau Klein. — Die Vorigen.

Frau Klein. So jetzt bin ich fertig. (Überrascht) Ja, was ist
denn das?

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 910, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-24_n0910.html)